Die Bleiche Hand Des Schicksals
sagte sie. Sie bewegte die Hand vor und zurück und stellte fest, dass er sich rittlings auf die Stufe gesetzt hatte, das gesunde Bein zwischen den beiden Sprossen, den Gips auf der Stufe unter ihnen.
»Setzen Sie sich mit dem Rücken zu mir.« Er hatte die Arme aus dem Parka gezogen, der ihm jetzt von den Schultern hing. Sie folgte seiner Anweisung, zog die Knie an und drapierte den Mantel darüber wie eine nasse Decke. Er schlang die Arme um sie. »Besser?«
»Ein bisschen, ja.«
»Auf lange Sicht wird es nichts helfen. Bei dieser Feuchtigkeit würde unsere Kleidung drei Tage brauchen, um zu trocknen, und die Temperatur liegt sicher nicht über fünf Grad. Aber ich konnte schon immer besser denken, wenn mir warm ist.«
»Es ist nicht gerade warm.«
»Warten Sie ab.«
Sie lehnte den Kopf zurück. Er legte seine Wange auf ihr Haar. Sie spürte das Heben und Senken seines Brustkorbs, als er seufzte. »Ich hätte Sie zwingen müssen, im Auto zu warten«, sagte er.
»Verdammt richtig, das hätten Sie.«
Er lachte, und sie fiel ein, lachte hilflos und zitternd und umklammerte ihren Mantel, damit er nicht herunterfiel.
Schließlich schwiegen sie. Wo ihre Körper sich berührten, die nassen, zerknitterten Hemden dazwischen, wurde ihr warm. Sogar das feuchte Innenfutter ihres Mantels schien nicht mehr so kalt wie vor wenigen Minuten. »Ich glaube, wir strahlen Hitze ab«, sagte sie.
»Würde mich nicht überraschen.« Seine Ton war trocken.
Sie öffnete den Mund, um einen Witz zu machen, und war erstaunt, als sie sich sagen hörte: »Ich habe mir das ausgemalt.« Er schwieg. Die Dunkelheit, ihre Anonymität, ließ sie fortfahren. »Dass Sie mich umarmen, meine ich. Nicht in einem nassen, eisigen Keller festzusitzen. In meiner Vorstellung sind wir normalerweise an einem wärmeren Ort. Spärlicher bekleidet. Und selbstverständlich lauert keine dieser unbequemen Moralvorstellungen im Hintergrund. Eben reine Phantasie. Ungezügelt. Bitte bringen Sie mich zum Schweigen, ehe ich mich noch lächerlicher mache, als ich es schon getan habe.« Ihre Wangen waren so heiß, dass sie ihren Mantel damit hätte trocknen können. »Entschuldigung, ich neige zum Faseln, wenn ich nervös bin.«
Der Druck seiner Arme wurde stärker. »Ich weiß«, sagte er, seine Stimme leise in ihrem Ohr. Dann spürte sie seine Lippen auf ihrer Wange, sie drehte den Kopf, sein Mund traf auf ihren, und sie küssten sich. Es war süß, so süß, und als sein Mund sich auf ihrem bewegte, spürte sie eine Saite in sich schlagen, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie in ihrer Brust schwang, und alles, was sie ausmachte, öffnete sich ihm. Sie gab einen Laut von sich, Ermutigung vielleicht oder Beifall, und er drängte sich heftiger an sie, vergrub seine Hände in ihrem Haar. Sein Mund, seine Hände, das in seiner Kehle gefangene Stöhnen ließen sie den Kopf verlieren. Sie leckte, küsste, streichelte, klammerte, vollkommen in ihm verloren, bis eine Bewegung ihrer Hüften den Mantel von ihren Knien gleiten ließ, in Richtung Wasser. Sie riss sich los und packte ihn, bevor er fiel.
Beide erstarrten. Die kalte feuchte Luft drang durch ihr Gewand, erzeugte eine Gänsehaut. Sie konnte hören, wie er rasselnd nach Luft rang.
»Ich …«, begann er, aber sie unterbrach ihn.
»Sag nicht, dass es dir leidtut.«
»Gott, nein.« Sie hörte, wie er versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Dir?«
Eigentlich sollte es das. Das wusste sie. »Nein«, sagte sie.
Ein weiterer scharfer Atemzug. Sie glaubte zu spüren, wie er sich zu ihr beugte. Dann sagte er: »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Oder Ort.« Seine Stimme klang schwer und rauh.
Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt oder Ort, wollte sie rufen, aber sie behielt es für sich. Stattdessen sagte sie: »Halt meinen Mantel fest. Ich versuche es mit der anderen Tür.« Ein fröhlicher Trab durch das eisige knietiefe Wasser würde ihr Mütchen kühlen. Sie schob ihm den Mantel entgegen und hangelte sich die Treppe hinunter. Sie befanden sich nicht so weit über dem Wasser, wie sie angenommen hatte, und als sie die Sprossen hinunter ins eisige Wasser kletterte, erkannte sie den Grund.
»Das Wasser steigt.« Sie bemühte sich, ruhig zu klingen. »Es reicht schon über meine Knie.«
Er fluchte. »Der Fluss«, sagte er. »Er steigt.«
»Was?«
»Das Hochwasser kommt jedes Jahr mit der Schneeschmelze. Dazu ein paar schwere Regenfälle, und presto. Springflut. Gottverdammt.«
Seine gedämpften Flüche
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