Die Bleiche Hand Des Schicksals
Tochter an sich. Ihren Körper, ihr Gewicht. Ihr Leben. Sie begann zu schaukeln.
41 Dienstag, 3. April, und Mittwoch, 4. April
N achdem Officer Durkee mit Allan Rouse zum Revier aufgebrochen war, bestand Clare, unterstützt von Lyle MacAuley, darauf, dass Russ sich im Krankenhaus untersuchen ließ. Er fuhr unter Protest in Begleitung seines Deputy.
Sie wollte, dass auch Mrs. Marshall sich zu einem Arzt begab. »Ich glaube, Sie sollten jetzt nicht allein sein«, sagte sie. »Und ich bin ganz sicher, dass Sie so spätabends nicht allein mit dem Wagen nach Hause fahren sollten.«
Die alte Frau tätschelte ihr den Arm. Sie hatte Allan und Renee tatsächlich umarmt, als sie gingen, ein leuchtendes Beispiel christlicher Nächstenliebe. Clare war nicht sicher, ob sie selbst es gekonnt hätte. »Es geht mir gut, Liebes.«
»Sie haben einen ziemlichen Schock erlitten. Bitte, erlauben Sie wenigstens, dass ich Mr. Madsen anrufe, damit er Sie nach Hause bringt. Sie können doch hier auf ihn warten.« Sie sah sich um, betrachtete die teuren Möbel der Rouses, die Familienfotos, die Bücher und Magazine in den Vitrinenschränken. Sie fragte sich, was davon verdient und was mit dem von Jane Ketchem gestohlenen Geld erworben worden war.
Mrs. Marshall las wieder einmal ihre Gedanken. »Was soll ich mit dem Geld aus dem Fonds machen?«
Clare gab nicht vor, sie nicht zu verstehen. »Geld an sich ist weder gut noch schlecht. Es kommt darauf an, was man damit tut.«
Mrs. Marshall biss sich auf die Lippe, wobei etwas Lippenstift abblätterte. »Vielleicht war es Blutgeld, eine Entschädigung für das Leben meiner Brüder und Schwestern. Für das Leben meiner Eltern.«
»Wie auch immer sie dieses Geld verdient haben, was immer ihre Mutter getan hat, sie hat genug gesühnt, um es zu reinigen.«
»Das sollte man meinen.«
Die Stimme der alten Frau gewann einiges von ihrer Schroffheit zurück.
»Unglücklicherweise diente es in den letzten dreißig Jahren dem Wohlleben der Rouses statt der Klinik. Das hat sie nicht gewollt. Ich habe das Gefühl …« Sie nahm Clares Hand. »Ich denke, ich schulde es ihr, etwas damit zu tun. Ich schulde es ihnen allen.«
»Etwas … das ist nicht das Kirchendach?«
»Nicht nur. Würden Sie es schrecklich von mir finden, wenn ich nur genug für die dringendsten Reparaturen hergebe? Wenn wir Spenden sammeln müssten, um den Rest zu erledigen?«
Clare schüttelte den Kopf. »Ich war von der Vorstellung, der Klinik das Geld wegzunehmen, nie sonderlich begeistert. Wollen Sie den Treuhandfonds wieder einrichten? Und die Zahlungen diesmal über den Stadtrat laufen lassen, damit sie kontrolliert werden?«
»Ich weiß es nicht. Die Klinik ist all diese Jahre wunderbar ohne ausgekommen. Ich glaube, ich möchte etwas Persönlicheres damit anfangen.«
Clare lächelte langsam. »Ich werde Ihnen Debba Clow vorstellen.«
»Die Frau, die ihr Kind nicht impfen lassen will?«
»Wir arbeiten daran. Vielleicht hilft die Geschichte Ihrer Eltern. Ich habe Debbas Nummer in meinem …« Clare klopfte ihre Taschen ab, suchte nach ihrem Handy, bis ihr einfiel, wo es sich befand. Mittlerweile war ihre Kleidung fast trocken und roch nach Schimmel. »Egal. Sie hat einen Sohn, Skylar, der von jemandem mit Geld profitieren könnte. Sie möchte ihn zu Hause unterrichten, und sie könnte Unterstützung brauchen, Autismusexperten, zusätzliche Sprach-und Beschäftigungstherapie – Sie könnten wirklich helfen. Und es wäre …«, sie lächelte ein wenig, »… persönlich.«
Auf ein wenig weiteren Druck willigte Mrs. Marshall ein, Mr. Madsen anzurufen, und der ältliche Anwalt schien nur zu glücklich, behilflich sein zu können. »Wenn Sie erst mal in meinem Alter sind«, sagte er, »schlafen Sie sowieso nicht mehr so viel.«
Als sie Clare vor der Historischen Gesellschaft absetzten, wo sie ihr Auto abholen wollte, war sie so gut wie trocken. Sie saß einige Minuten hinter dem Steuer. Rang mit sich: Pfarrhaus? Oder zum Krankenhaus? Sie war nicht überrascht, als sie sich für das Krankenhaus entschied. Falls Russ schon entlassen worden war, hätte sie nicht viel Zeit verloren. Falls er noch da und wach war, konnten sie reden. Sie stellte sich vor, dass sie auf seiner Bettkante saß. Vielleicht seine Hand hielt. Und sie würden reden.
Ihre Pfarrgewänder wirkten wieder einmal Wunder, und sie durfte trotz der späten Stunde noch hinein. Obwohl der zuständige Sicherheitsdienst sie merkwürdig ansah. Als sie am dunklen
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