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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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öffnete die Tür direkt neben der Treppe. Es war tatsächlich ein altmodisches Damenwartezimmer, Toilette und Waschbecken diskret hinter einer Zwischentür verborgen. »Kommen Sie, Schätzchen, setzen Sie sich hin.« Laura klopfte auf das Sofa, eine gepolsterte rote Samtmonstrosität, das aussah, als hätte man es aus einem Freudenhaus geholt. Clare erkannte es sofort als den Seelengefährten des durchgesessenen Zweisitzers in ihrem Büro – das einzige Möbelstück, das man nicht versteigern könnte. Debba setzte sich zittrig, sie weinte immer noch. Officer Flynn kauerte sich auf die Kante neben sie, sowohl um sie zu bewachen als auch, um sie zu trösten.
    »Nehmen Sie’s nicht so schwer«, sagte die Schwester. »Ich bin schon etliche Male verhaftet worden. Der Kautionsmakler wird eine halbe Stunde nach Ihrem Eintreffen im Revier sein, und Sie werden rechtzeitig nach Hause kommen, um Abendbrot zu machen.«
    Clare musterte den winzigen Rotschopf genauer. »Warten Sie mal – habe ich Sie nicht schon mal gesehen? Gehörten Sie nicht zu der Umweltgruppe, die letzten Sommer gegen das Adirondack-Erlebnisbad demonstriert hat?«
    »Das war ich! Laura Rayfield.« Sie streckte die Hand aus und grinste, als Clare diese schüttelte. Clare zog sie ein Stück vom Sofa weg.
    »Was ist denn eigentlich passiert?«, fragte Clare.
    Die Schwester seufzte. »Ich glaube, Dr. Rouse hat auf Debbas Antiimpfungskreuzzug überreagiert. Er steht in letzter Zeit enorm unter Druck, und alles scheint ihn aufzuregen. Gott sei Dank hat er nicht nach seiner Waffe gegriffen, als sie hier hereingestürmt kam.«
    »Sie haben eine Waffe? In der Klinik?«
    » Al hat eine Waffe. In seinem Schreibtisch.« Sie schnitt eine Grimasse. »Damit fühlt er sich sicherer. Hier ist ein paarmal eingebrochen worden, Junkies auf der Suche nach Amphetaminen und solchem Zeug. Ich persönlich fürchte, dass man sich eher selbst trifft als den Eindringling.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen? Über seinen Stress?«
    »Ich sagte ihm, das beste sei, eine Reihe von Abendveranstaltungen anzusetzen, in denen er die Furcht der Leute vor Impfungen zerstreuen könnte, aber hat er auf mich gehört? Natürlich nicht. Er hat immer nach dem ›Ich Arzt, du Patient‹-Schema praktiziert, und jetzt kommen Frauen herein und stellen Fragen über die Impfung ihrer Kinder, über Grippespritzen und dies und das.«
    »Ist das schlimm?«
    »Zum Teufel, nein. Aber Al glaubt immer noch, in einer Welt zu leben, in der der weiße Kittel einen kugelsicher macht und einem die Fähigkeit verleiht, mit einem einzigen Satz auf Wolkenkratzer zu springen.«
    Clare langte gedankenverloren nach hinten und zurrte das Haar in ihrem Knoten fester. »Letzten Sommer habe ich Sie dabei beobachtet, wie Sie große Anstrengungen unternommen haben, um vor den Gefahren des PCB zu warnen. Warum haben Sie Debba nicht geholfen, als sie wegen dieser Impfstoffe Alarm schlug?«
    »Weil anders als bei dem nachgewiesenen Zusammenhang zwischen PCB und Krebs nicht der Fetzen eines wissenschaftlichen Beweises existiert, der einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus belegen würde.« Laura sah hinüber zum Sofa, wo Debba in scharfen, abgehackten Zügen nach Luft rang. »Autismus kann sich so grausam auf eine Familie auswirken. Ich kann Eltern keinen Vorwurf machen, die nach etwas, irgendetwas suchen, das erklärt, warum ihr vollkommen normaler Einjähriger zu einem Kind heranwächst, das in seinem eigenen Geist gefangen ist. Wie bei diesen Wechselbälgern im Märchen. Sie wissen schon, wo das Baby ganz gesund ist und dann gegen einen kränklichen Ersatz ausgetauscht wird. Aber heute behauptet niemand mehr: ›Die Feen haben meinen Sohn geholt.‹ Vielmehr klagen die Eltern, dass mit Quecksilber verseuchte Impfseren die Übeltäter sind.« Sie schüttelte den Kopf, so dass ihr der Zopf gegen den Rücken schlug. »Wenn ich das glauben würde, würde ich persönlich in die Lagerhäuser einbrechen, um das Zeug zu vernichten.«
    »Aber Sie machen Debba keine Vorwürfe für das, was sie tut?«
    »Nein. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie unrecht hat. Und sie verschwendet ihre Zeit, indem sie einen Krieg führt, der gar nicht gewonnen werden muss.« Sie drückte Clares Hand. »Ich gehe lieber wieder zurück. Ich weiß, dass er so klang, als sei er in guter Verfassung, aber Al war wirklich erschüttert, als sie so auf ihn losgegangen ist.«
    Clare hob zum Abschied die Hand und trat zurück an das Sofa. Sie

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