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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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dass es nicht die Angst davor war, was der Verlust eines Kindes mir antun könnte. Ich meine, der Gedanke spielte immer mit, aber … ich glaube, es war die Angst vor der Verantwortung. Meine Eltern übernahmen diese Verantwortung, und am Ende wurden sie davon zerstört.«
    »Was geschah mit Ihrem Vater?«
    »Nun, sehen Sie, darum werden die Leute anfangen, diese alten Geschichten wieder aufzuwärmen. Jetzt, wo Allan Rouse so plötzlich verschwunden ist. Mein Vater verließ am Abend des neunundzwanzigsten März 1930 unser Haus, nach einem Streit mit meiner Mutter. Er stieg in sein Auto, fuhr davon« – Mrs. Marshall seufzte und drehte sich zu Clare – »und wurde nie wieder gesehen.«

17 Dienstag, 1. April 1930
    A ls er schließlich zu Mr. Ketchems Bruder nach Lake George hinausfuhr, vermutete Harry McNeil bereits, dass Mrs. Ketchem recht behalten und ihren Ehemann nie wieder sehen würde.
    Er hatte mit Mr. Ketchems Kumpeln angefangen, vier Namen oben auf der Liste. Sein erster Besuch war eine ziemliche Pleite. Er war kaum aus dem Ford gestiegen, als Hutch Shaws Frau, die gerade die vorderen Fenster des schmalen Reihenhauses putzte, schon rief: »Er ist nicht da!« Was folgte, war größtenteils eine Litanei von Klagen darüber, dass die Wirtschaftslage ihren Mann zwang, für eine Straßenbaufirma oben in Warrensburg zu arbeiten, und er jetzt jeden Tag den ganzen Weg nach Warrensburg fahren müsse, und was, um Himmels willen, wäre das für ein Leben für einen Mann mit Kindern.
    Die einzigen beiden nützlichen Informationen, die Harry aus Mrs. Shaw herausholte, waren, dass weder sie noch ihr Mann Jonathon Ketchem seit dem vorletzten Freitag gesehen hatten und dass alle Männer, die Mrs. Ketchem aufgelistet hatte, Mitglieder im Grange-Bauernverband und im Veteranenverband waren.
    »Sie beide waren also zusammen im Großen Krieg?«, fragte er Arent De Grave, einen stämmigen Blondschopf, dessen große Farm nicht von den schweren Zeiten bedroht schien, die den bedauernswerten Hutch Shaw nach Warrensburg zwangen.
    »Ja«, erwiderte Arent, während er eine Forke verrotteten Mist auf den Streuer lud. Sie standen auf dem mit Kopfstein gepflasterten Hof zwischen Graves beiden Scheunen, und abgesehen von dem Misthaufen, der über den Winter zu Kompost geworden war, war alles so sauber, dass man vom Boden essen konnte, auf diese besondere holländische Art sauber, die Harry stets bewundert hatte, aber nie erreichen konnte.
    Arent fuhr fort: »Ja, wir waren beide dabei. Ich war in der Dordogne. John hat die Zeit in Fort Knox abgesessen, wo er für den Fuhrpark zuständig war.«
    »Demnach kannten Sie sich schon vor dem Krieg?«
    De Grave warf eine weitere Gabel voll Mist auf den bereits schwerbeladenen Streuer und wies dann mit der Hand an seinem weißen Haus und dem Löschteich vorbei zu einem Einschnitt zwischen zwei Hügeln, wo ein mehrgiebliges Dach zu sehen war. »Das ist die Ketchem-Farm. Unsere Familien sind Nachbarn, seit mein Vater uns sechsachtzig von North Cossayuharie hierhergebracht hat.«
    »Sind sie dort? Mr. und Mrs. Ketchem?«
    De Grave schüttelte den Kopf. »Den Winter über lassen sie die Farm von Heuerlingen bewirtschaften. Mr. Ketchem hat es schlimm an der Lunge gehabt, deshalb verbringen sie den Winter im Westen. Ich schätzte, dass sie bald zurückkommen, aber noch sind sie nicht zu Hause.«
    »Wohnt jemand im Haus?«
    »Nein. Die Arbeiter, die nicht verheiratet sind, haben eine eigene Unterkunft hinten am Bach.« Er zögerte einen Moment. »Sie glauben, Jon könnte im Haus seiner Eltern sein. Wenn in den letzten beiden Nächten jemand dort gewesen wäre, hätte ich Licht gesehen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Jon zu Mama und Papa nach Hause rennt. Das wäre das Letzte, was er tun würde.«
    »Sie kennen ihn demnach ziemlich gut.«
    »So gut wie jeder andere, schätze ich.«
    Harry trat einen Klumpen aus Streu und Mist aus dem Weg. »Sagen Sie mir die Wahrheit. Ist es wahrscheinlich, dass er auf einer Sauftour ist?«
    Arent De Grave stellte die Forke auf dem Kopfsteinpflaster ab und sah Harry an. »Wo sollte er hier denn Schnaps herkriegen, Chief?«
    Harry seufzte. »Ich habe nicht gefragt, woher man das Zeug kriegt. Aber Ihr Freund hat seine Frau in einem Wutanfall verlassen und ist seitdem nicht mehr gesehen worden. Bei den meisten Männern bedeutet das entweder saufen oder rumhuren.«
    De Grave zog seine kaum vorhandenen blonden Brauen hoch.
    »Oder sie schlüpfen bei einem Freund

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