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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Durchdrehte?«
    »Nein, nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube, er hatte keinen Funken Freude mehr in sich. Er war wie ein …«, Harry wartete, während der Farmer seine Worte mit Bedacht wählte, »… wie ein Lastkahn, den man auf dem Fluss treiben lässt. Man sieht ihn stromabwärts treiben, es mag so aussehen, als täte er, was er immer tut, aber es steckt kein Ziel dahinter. Keine Hand am Ruder.«
    »Früher oder später wird ein unbemanntes Boot zerschellen.«
    De Grave sah Harry an. »Ich weiß.«
    »Aber nicht an einer Flasche.«
    De Grave schüttelte den Kopf. »Und auch nicht an anderen Frauen, glaube ich, obwohl ich es in beiden Fällen nicht mit Sicherheit sagen kann. Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich ein Mann mit einer hübschen, lieben Frau wie Janie anderswo umsieht.«
    Harry fiel das überhaupt nicht schwer. Er konnte es vor sich sehen; lange Nächte neben der Frau, und jedes Mal, wenn man sie anschaute, erblickte man die toten Kinder in ihren Augen, ihrem Mund und der Farbe ihrer Haare. Sich niemals berühren, ohne dass die Last des Schmerzes die Glieder lähmte, das Fleisch erstarren ließ. Er warf einen Blick auf die Zugkette, die schwer in seinen Händen ruhte. Einfach, sich vorzustellen, dass man nach dem heißen, bedeutungslosen, leicht zu vergessenden Körper einer anderen verlangte.
    Er kauerte sich hin und befestigte die Kette an Nicks Bauchgurt, zog daran, um sich zu vergewissern, dass der Verschluss hielt. Er befestigte das andere Ende an einem großen stählernen Ring, der an eine Ecke des Miststreuers geschraubt war. Als alles erledigt war, stand er wieder auf und sah über die Pferderücken zu De Grave. »Was glauben Sie denn?«, fragte er. »Sie kennen den Mann. Was hat er Ihrer Meinung nach getan, nachdem er aus seinem Haus verschwunden ist?«
    De Grave erwog die Frage mit derselben bedächtigen Konzentration, die er allen Dingen widmete. »Ich würde meinen«, sagte er nach einer Weile, »dass er am Ende den Strom hinabgetrieben ist.«

    Als Mrs. Ketchem ihm von der Investition ihres Mannes in die Tankstelle seines Bruders erzählt hatte, war Harry von einer dieser Bruchbuden ausgegangen, die im Zuge des Straßenbaus oben im Norden aus dem Boden geschossen waren, umgebaute Viehställe oder Schmieden mit einer Benzinpumpe davor, in denen sich hinten noch immer Heuballen stapelten. Darum war er überrascht, als ein leuchtendes Emailschild KETCHEMS TANKSTELLE UND AUTOWERKSTATT ankündigte. Das niedrige weitläufige Gebäude an der Kreuzung von Route 9 und Tenant Mountain Road war weiß getüncht, mit Stuckverzierungen und sanft geschwungenen Bögen, hinter denen drei Reparaturbuchten auf in Not geratene Kraftfahrer warteten. Draußen standen nicht weniger als drei Zapfsäulen, von einem leuchtend roten Dach vor den Elementen geschützt, das auf ebenfalls mit Stuck verzierten Pfeilern ruhte. Das Ganze sah aus, als wäre es direkt aus Hollywood nach Lake George verpflanzt worden.
    Harry parkte auf der anderen Seite des Gebäudes, an der keine Zapfsäulen standen. Als er aus dem Ford stieg, schoss ein großer, schlaksiger Bursche aus der ersten Reparaturbucht. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«, fragte er, wobei seine Stimme mitten im Satz brach. Er hustete und wurde rot.
    »Ich bin nicht wegen einer Reparatur hier, Junge, aber vielen Dank. Ich suche David Ketchem. Ist er hier?«
    Der Junge senkte das Kinn und versuchte, seinen Adamsapfel zu kontrollieren. »Mein Vater ist im Büro«, antwortete er und wies auf eine rote Tür, die zwischen den Reparaturbuchten und der schimmernden Fläche eines Fensters eingeklemmt war. Die Tür klingelte nicht, als Harry sie öffnete. Stattdessen ertönte ein melodisches bing!, das wie das Stundenzeichen im Radio klang. Er begann zu vermuten, dass Jonathon Ketchems Bruder, wäre das Leben nur ein wenig anders verlaufen, ins Showbusiness gegangen wäre statt Pumpenschwengel zu werden.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Der Mann hinter dem Tresen war ungefähr in Harrys Alter, Mitte dreißig, mit spärlichen blonden Haaren und einem Gesicht, das gern lächelte. Harry musste nicht auf das an der rechten Brusttasche aufgenähte DAVE-Schildchen schauen, um ihn als den Vater des dürren Jungen zu identifizieren.
    »David Ketchem?« Harry lächelte, um seinen folgenden Worten ein wenig den Stachel zu nehmen. »Chief Harry McNeil, Polizei von Millers Kill.«
    Ketchems Lächeln schwand, und sein Blick schoss zu der Tür, die das Büro mit der Werkstatt verband. Dann

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