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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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unter. Was ist damit? In welche Kategorie würden Sie Jonathon Ketchem einordnen?«
    »Hier ist er nicht.« De Grave stieß seine Forke in den Misthaufen und warf weitere zwanzig Pfund auf den Streuer. »Wer steht denn alles auf der Liste, die Sie da haben?«
    Harry zog das zerknitterte Blatt aus der Gesäßtasche. »Sie, Hutch Shaw, Leslie Bain und Garry MacEacheron.«
    »Wir sind alle verheiratete Männer. Mit Kindern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass nicht eine der Frauen bei Jane angerufen hätte, um ihr zu sagen, wo Jon steckt.« Er lächelte beinah schüchtern. »Meine Missus würde es mit Sicherheit tun.«
    »Könnte er sich in irgendeiner Flüsterkneipe verkrochen haben? Vielleicht ist er nach Glens Falls und hat dort ein Zimmer gemietet?«
    De Grave stieß die Zinken der Forke gegen das Pflaster, um den Mist abzuklopfen, und trat die Reste mit der Stiefelkante ab. »Helfen Sie mir, die Pferde anzuspannen«, sagte er und ging in die Scheune. Harry folgte ihm. Einen Moment lang konnte er nach dem strahlenden Sonnenschein draußen im warmen Halbdunkel nichts sehen. Zwei enorm große Wallache, ihrem Aussehen nach zur Hälfte Percherons, warteten geduldig. Harry war erleichtert, als er sah, dass sie bereits aufgeschirrt waren. Es war lange her, dass er die Pferde seines Vaters angeschirrt hatte, und er wollte vor De Graves Augen nicht wie ein verstädterter Dummkopf herumfummeln. »Das ist Ned« – De Grave wies auf das Pferd zur Linken –, »und der da ist Nick.«
    Harry packte Nicks Gurt, kraulte ihm den Hals und streichelte sanft mit einem Finger seine Nüstern. Nick sah ihn zwischen den schwarzen Scheuklappen mit klugen braunen Augen an, die zu sagen schienen: Das ist alles schön und gut, aber ich muss arbeiten.
    Harry führte Nick aus der Scheune, zwinkerte wieder, als sie ins Licht traten. »Nick ist das Handpferd«, rief De Grave über die Schulter, und Harry führte das Tier nach rechts. Der Wallach war so gut dressiert, dass er auf Harrys leichtesten Ruck am kurzen Zügel ordentlich seinen Platz neben der Deichsel des Miststreuers einnahm. Harry und De Grave hoben den Deichselbalken, und Harry hielt ihn fest, während der Farmer Neds Gurt am linken Ring einklinkte und prüfte, ob er nicht zu straff gespannt war. Dann tat Harry dasselbe für Nick, während De Grave zur Sattelkammer zurückkehrte, um die Zugketten zu holen, mit denen die Pferde an den Streuer selbst gebunden wurden. De Grave trat nach vorn zum Gespann und reichte Harry eine einen Meter lange Kette, die dick und schwer genug war, um jemandem mit einem einzigen Hieb den Schädel einzuschlagen. »Was meinen Sie?«, fragte Harry, während er seine Hand über Nicks breite Flanke gleiten ließ. »Gehört Jonathon zu den Männern, die ihren Kummer ertränken? Hat er irgendwo ein Mädchen, das ihn aufgenommen haben könnte?«
    Er bückte sich, um die Kette einzuhaken, und konnte durch die stämmigen Hinterbeine des Pferdes einen kurzen Blick auf De Grave erhaschen: Miststiefel, eine verblichene Hose und Hände, die älter waren als seine dreißig Jahre oder so. Sorgfältig hakte er die Kette in den Ring, prüfte den Verschluss und die Gurte.
    »Jonathon mochte in seinen jüngeren Tagen den Whisky genauso gern wie jeder andere«, sagte er langsam und bedächtig. »Soweit ich weiß, war er nie ein Abstinenzler. Aber mit Alkohol habe ich ihn schon seit … nun …« Er stand da, die Hand auf Neds muskulöser Kruppe. »Nun, nicht mehr, seit seine Kinder starben.«
    Harry stand auf, die Zugkette noch immer in der Hand. »Was?« Er konnte De Graves Gesicht über die Pferderümpfe hinweg gerade noch sehen. »Was meinen Sie damit, nachdem seine Kinder gestorben sind? Ich dachte, er und seine Frau hätten nur eine Tochter.«
    De Grave nickte. »Sie wurde später geboren. Sie hatten vorher schon vier Kinder. Sie starben ›24 an der Diphtherie.«
    »Lieber Gott.«
    »Manchmal ist sein Wille nur schwer zu ertragen.« De Graves Hand folgte den ledernen Linien der Gurte, die sich kreuz und quer um Neds Hüfte und Rumpf spannten. »Jonathon war danach nicht mehr derselbe.«
    »Inwiefern?«
    De Grave legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in den blassblauen Frühlingshimmel. »Er war sich seiner Sache immer ganz sicher. Er wollte seine Farm zu einem Erfolg machen, mehr Land kaufen, es besser machen als sein Vater. Nachdem die Kinder gestorben waren, hat er irgendwie … den Halt verloren.«
    »Meinen Sie damit, dass er verrückt spielte?

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