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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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herkommen. Von Juni bis September laufen die Zapfsäulen ununterbrochen, und rund um das Gebäude parken die Autos und warten darauf, repariert zu werden.« Er kam um den Tresen und öffnete die rote Tür. »Sehen Sie das Grundstück da drüben?« Er trat hinaus auf den Schotter, und Harry folgte ihm. Die Sonne sank rasch den Bergen entgegen, und ein kalter Wind war aufgekommen, der Harry daran erinnerte, dass die rauhesten Nächte des Jahres nur wenige Wochen zurücklagen. Unter dem Wolljackett zog er die Schultern zusammen, als Ketchem auf die andere Straßenseite zeigte, wo ein heruntergekommen wirkendes Farmhaus stand, leer, bis auf ein paar in Eimer gestopfte Bündel Rhabarber und eine Blechdose, in die Kunden ihr Geld werfen konnten. »Wissen Sie, was hier draußen fehlt?«, fragte Ketchem. »Ein Restaurant. Muss nichts Luxuriöses sein, nur sauber und schnell, wo Leute, die zum See oder in die Berge fahren, anhalten und etwas essen können. Ich habe ein Auge auf den Besitz geworfen. Ich wollte, dass Jon drüber nachdenkt, das Land zu kaufen und ein Lokal zu bauen.« Er schüttelte wieder den Kopf, frustriert, weil er nach einer Karte navigierte, die alle anderen ignorierten. »Ich habe ihm gesagt, du verdienst mehr Geld damit, Essen zu kochen und an Touristen zu verkaufen, als es anzubauen. Es interessiert ihn nicht.«
    »Was interessiert ihn denn?«
    David Ketchem sah Harry stirnrunzelnd an, als ob er den Anlass ihres Gespräches aus den Augen verloren hätte. »Hä?«
    »Ihr Bruder scheint nicht zu trinken. Niemand glaubt an eine Geliebte. Und er ist noch nie verschwunden, ohne Frau und Kind Bescheid zu sagen. Aber mittlerweile wird er seit zwei Tagen vermisst. Wo ist er, was glauben Sie?«
    Harry konnte den genauen Moment erkennen, in dem Ketchem klar wurde, dass er keine Antwort auf die Frage hatte, dass sein Bruder wirklich und wahrhaftig verschwunden sein könnte, und zwar ohne glückliche Wiedervereinigung, ohne Happy-End. Ein Gedanke schwamm in Harrys Kopf herum, schwer zu fassen, wie ein Fisch in einem schattigen Bach. Nur kurz zu sehen, wenn er in das sonnenhelle Wasser schnellte. Es war eine dieser albernen Streitigkeiten, verstehen Sie, erst sagt man was, dann antwortet er, und im nächsten Moment geht man aufeinander los, ohne zu wissen, wie es dazu gekommen ist.
    Nachdem die Kinder gestorben waren, hat er den Halt verloren.
    Die Farm verkaufen zu müssen hat Jon schwer zugesetzt.
    Er beugte sich dichter zu Ketchem, senkte die Stimme. »Was glauben Sie, wie schwermütig war Ihr Bruder wirklich?«
    David Ketchem klappte den Mund auf. Dann presste er ihn zusammen. »Nein.«
    »Dad?«
    Beide Männer drehten sich zu dem Jungen um, der im Eingang der ersten Wartungsbucht stand.
    »Wird Onkel Jon vermisst?«
    Ketchem sah Harry an, ein Anflug von Panik ließ seine Züge scharf hervortreten, seine Frage war so deutlich, als hätte er sie ausgesprochen. Was soll ich sagen?
    »Dein Vater sagt, du heißt Lewis«, sagte Harry.
    »Ja, Sir.«
    »Hast du mitgehört, was wir im Büro besprochen haben, Lewis?«
    Der Junge senkte den Kopf. Seine Wangen liefen rosa an, aber er schaffte es, Harry in die Augen zu sehen. »Ja, Sir. Es tut mir leid, Dad. Aber wenn in der Werkstatt kein Auto läuft, kann man leicht durch die Tür hören …«
    »Und du warst neugierig, was ein Polizist von deinem Vater will?«
    »Ja, Sir.« Der Junge senkte wieder den Kopf, sah dann seinen Vater an. »Dad, was, wenn Onkel Jon nachts draußen war und Schmugglern begegnet ist?«
    Auch darauf schien sein Vater keine Antwort zu wissen. »Das ist nicht sehr wahrscheinlich, Lewis. Und selbst wenn Onkel Jon auf derselben Straße unterwegs war wie die Schmuggler, hätten sie sich nicht mit ihm aufgehalten. Sie wollen den Alkohol so schnell wie möglich an seinen Bestimmungsort bringen und können sich Schießereien mit anderen Autofahrern nicht leisten.«
    »Aber letzten Samstag wolltest du mich wegen der Rumschmuggler nicht in der alten Kiste von Boyd und Morrie rumfahren lassen. Du hast gesagt, wir könnten in ernste Schwierigkeiten kommen.«
    Harry hatte selbst genug fadenscheinige Gründe erfunden, um seinen Kindern etwas abzuschlagen, um diesen hier zu erkennen. Die einzigen ernsthaften Schwierigkeiten, die Ketchem erwartet hatte, waren die dreier Halbwüchsiger, die Samstagabend übers Land karriolten. »Dein Vater hat recht. Alkoholschmuggler greifen vermutlich keinen erwachsenen Mann an, aber Jugendliche sind ein leichtes Ziel. Aber man

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