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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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der Tasche herumträgt und hin und wieder an ihm reibt.
    Ein paar Minuten fuhren sie schweigend weiter, was in Ordnung war, weil Schweigen mit Clare sich nie so anfühlte, als müsse man die Stille schnell mit Worten füllen. Bonnie Raitt sang von kühlem klarem Wasser und dem Wunsch, darin zu versinken, und das verstand er bestens. Er bremste vor der Veterans Bridge und fuhr nach rechts, entfernte sich vom Fluss. »Das ist nicht der Weg zu Mrs. Marshalls Haus«, bemerkte sie.
    »Ich weiß.«
    »Und wieder einmal habe ich Sie meinem unbeugsamen Willen unterworfen, nicht wahr?«
    Er lachte. »Wenn ich Sie nicht mitnehme, fahren Sie ja doch nur mit Ihrer idiotischen Karre hoch und bleiben im Schnee stecken. Auf diese Weise kann ich Sie wenigstens sicher hin-und zurückbringen.«
    Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie sie zufrieden vor sich hin lächelte.
    Sie schlängelten sich die Berge hoch, schwiegen wieder, so dass sie wirklich der Musik zuhörten, und als Bonnie sang »I sho do … want you«, wollte er auf die Taste eindreschen und die CD auswerfen, damit es nicht zwischen ihnen in der Luft hinge. Aber er tat es nicht.
    Beiderseits der Straße zu dem kleinen Friedhof war der Schnee zertrampelt, und das und die Reifenspuren vermittelten den Eindruck, als hätte eine Armee hier gelagert. »Wow«, sagte Clare, nachdem sie geparkt hatten und aus dem Pick-up gestiegen waren.
    Er blieb stehen, lauschte auf Geräusche der Bergrettung oder der Spürhunde in der Nähe, aber alles, was er hörte, war die Bewegung der dünnen kalten Luft in den Kiefern. Er setzte an, Clare zu ermahnen, sich warm einzupacken, aber sie wickelte schon ihren Schal um den Hals und zog die Fäustlinge aus den Taschen. »Hier lang«, sagte er und zeigte auf die Bäume.
    Die Legion der Schritte, die den Schnee flach getreten hatte, machte das Gehen nicht eben einfacher. Die harte, dichte Oberfläche war in der Mittagssonne glatt geworden, und er stellte fest, dass er die Arme ausstrecken musste, um auf dem unvorhersehbaren Gelände unter seinen Stiefeln das Gleichgewicht zu halten. »Vorsichtig«, warnte er Clare.
    »Hmhm«, erwiderte sie, Blick und Aufmerksamkeit auf den Pfad gerichtet. Wie Kleinkinder, die laufen lernten, schwankten sie über den Weg, es fehlten nur die Schneeanzüge, um das Bild zu komplettieren.
    Ein Krachen schallte durch die Luft. »O mein Gott«, sagte sie. »War das ein Schuss?«
    »Das Eis bricht.« Er zeigte nach vorn, wo Teile des Stausees durch die Bäume schimmerten, graues Eis, bedeckt von fahlgrünem Wasser. »Das erzeugt alle möglichen Geräusche. Lautes Knallen, Ächzen, Knirschen. Sehr gefährlich um diese Jahreszeit.«
    »Ich hoffe, Dr. Rouse weiß das«, sagte sie und dann: »Da sind sie.« Die Grabsteine wirkten heute kleiner, weicher, trauriger als gestern Nacht; mehr wie Gedenksteine für wirkliche Menschen als wie Objekte an einem Tatort. Clare suchte sich vorsichtig einen Weg durch die wenigen schneebedeckten Erhebungen der älteren Gräber und sank vor den Steinen der Ketchem-Kinder auf die Knie, kauerte im japanischen Stil auf ihren Fersen.
    Sie schwieg, während er näher trat, sich einen besseren Blick auf den Blutfleck verschaffte, der die letzte Spur von Dr. Allan Rouse sein mochte oder auch nicht. Er stellte sich Debba Clow und den Arzt vor, wie sie in der Dunkelheit stritten, von Toten umgeben. Als er sie letzte Nacht hier vernommen hatte, war Debba aufgeregt gewesen, aber beherrscht, beunruhigt, aber kooperativ. Doch früher am Tag, hier draußen mit dem alten Mann, der ihr Vorträge hielt, in Sorge um ihre eigenen Kinder und verärgert, weil er immer weiter über die Ketchems faselte … wie war sie da gewesen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie einen Mord plante, aber er konnte sie vor sich sehen, wie sie die Schnauze voll hatte, Rouse die Schuld für ihre Schwierigkeiten gab – seiner Erfahrung nach gaben Menschen wie Debba stets anderen die Schuld für ihre Schwierigkeiten –, ihn vielleicht anschrie, er solle den Mund halten, und dann ein guter fester Stoß, um ihn loszuwerden …
    Als Clare sich bekreuzigte, merkte er, dass sie gebetet hatte. »Ich muss an Debba Clow denken«, sagte sie.
    »Ich auch.«
    Sie sah zu ihm hoch. »Ich meine wegen der Kinder. Wegen der schweren Verantwortung, die Eltern übernehmen. Die Ketchems haben getan, was sie für das Beste hielten, und das kam dabei heraus.« Sie breitete die Hände aus, fasste die Grabsteine mit in ihre Worte. »Die Mutter

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