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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Vorstellung, sich dann womöglich Eisenfausts Zorn stellen zu müssen, war allzu abschreckend. Außerdem schien es einfach respektlos. Kip begab sich zum Aufzug und rieb sich mit dem Handtuch den Schweiß vom Körper.
    Er hatte Hunger. Es schien, als hätte er hier immerzu Hunger. Für die Glimmer (also die Schüler im zweiten Jahr) und die höheren Klassen gab es Aufenthaltsräume, wo angeblich noch länger Essen serviert wurde – oder, im Falle der Leuchter (der Schüler im vierten und fünften Jahr), rund um die Uhr. Aber die Schüler im ersten Jahr, die Trüben, hatten dort keinen Zutritt. Alles musste man sich hier erst verdienen, vom Zugang zur Bibliothek bis hin zum Essen.
    Kip hustete, und in seiner Infrarotsicht sprühte die feuchte Luft seiner Lunge in einer Wolke kleiner weißer und roter Punkte heraus.
    Er hob die Hand, und er war wieder in Garriston, bedeckt mit grünem Luxin, in der Nase der Geruch von Schießpulver, Blut und Luxin, von Schweiß und Furcht. Er hob die Hand und schoss Kugeln auf die Soldaten, die ihn in Scharen umgaben. Die Wange eines Mannes wurde abgerissen, sein Kopf wirbelte zur Seite und drehte sich dann wieder zu Kip herum. Zähne und kleine Blutstropfen von sich schleudernd, kam er auf Kip zugetaumelt.
    Kip legte dem Mann die Hand auf die Stirn, als segne er ihn. Und schoss eine Kugel in sein Gehirn, dass Blut und Gewebe in seine offene Hand spritzten.
    Er war reine Willenskraft, und jene, die sich ihm entgegenstellten, waren nichts als Spreu, die der Wind um die Knie eines Titanen wehte.
    Und dann war er wieder zurück, blinzelte, schüttelte sich.
    Es war, als sei alles um ihn herum so dünn , so zerbrechlich. Eine Lüge. Kip sorgte sich, dass er womöglich irgendeine Prüfung nicht bestehen könne? Zerbrach sich den Kopf darüber, was fünfzehn Jahre alte Kinder von ihm dachten? Der Tod war gewaltig, turmhoch, unbezwingbar, überall siegreich. Nur eine winzige Bleikugel entfernt. Ein Splitter Luxin, und alles entpuppte sich als närrischer Flitterkram.
    Er hatte kaum Zeit, sich die Tränen aus den Augen zu wischen – warum die Tränen, wo er doch nicht weinte? –, als Eisenfaust und Teia bereits den Flur entlangkamen.
    Eisenfaust sah Kip an, sagte jedoch nichts. Sie stiegen zusammen in den Aufzug. Kip wollte ihn etwas fragen, aber er konnte seine Frage nicht einmal in Worte fassen. Wie schaffte Eisenfaust das? Wie konnte er Menschen töten und immer noch er selbst sein, wenn er zurückkam? Wie konnte er beide Welten in Einklang bringen? Eisenfaust war ein Fels, hart, massiv und ungerührt, eine Insel in einem Meer aus Wahnsinn.
    Hauptmann Eisenfaust strich sich über seinen kahlrasierten Kopf. Seine Stimme war leise und rau: »Als meiner Mutter nach der Messerattacke dieses Meuchelmörders ihr Leben ausblutete, habe ich sie gehalten, Kip. Ich habe gebetet. Gebetet, wie ich es nie zuvor getan habe und auch seither nicht wieder. Orholam hat mich nicht erhört. Ich glaubte, ich sei seines Blickes nicht würdig; dass er nur die Guten und die ganz Großen sieht.« Irgendein schnell wieder unterdrücktes Gefühl verzog für eine halbe Sekunde sein Gesicht. War es Kummer? Verzweiflung? Aber seine Stimme war ruhig. »Kip, die Welt erklärt sich nicht von selbst. Du machst einfach weiter.«
    »Wie?« Kips Stimme klang in seinen eigenen Ohren schwach und hohl.
    »Du machst es einfach.«
    Kip sah den Hauptmann an. Das war alles? Die Antwort war keine Antwort? Er fühlte sich plötzlich vollkommen mutlos.
    Teia blickte sie beide verwundert an, sagte jedoch nichts, fragte nichts. Kip wünschte, er hätte ihr dafür danken können.
    Der Aufzug hielt auf ihrem Stockwerk.
    Eisenfaust reichte Teia den Schlüssel. Seine Stimme war schroff. »Von nun an jede Nacht. Ich werde es nicht immer schaffen, aber ich werde so oft da sein, wie ich kann. Kip, ich habe gehört, dass du vom Praktikum ausgeschlossen wurdest, und Teia, du musst ebenfalls an deinen speziellen Fähigkeiten arbeiten, obwohl ich dir bei deiner Art des Wandelns kaum eine Hilfe sein kann. Morgen fangt ihr beide an, Magie zu üben.«
    »Ja, Herr.«
    Kip und Adrasteia gingen ihrer Wege, nicht sicher, was sie zueinander sagen sollten. Kip wusch sich und legte sich ins Bett. Sein Körper schmerzte, sein Geist war wie betäubt und schrie nach Schlaf, aber wann immer er die Augen schloss, sah er Blut, Hirn, die reiche Ernte der Kugeln.
    Die Morgendämmerung brachte die einzige Art der Erleichterung, die er momentan kannte: den

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