Die Blendende Klinge
streifte etwas und stach dann hindurch. Kip glaubte – hoffte –, dass es ihr Hals gewesen war. Er kauerte sich mitten im Raum tief auf den Boden.
»Du bist ein Infraroter«, sagte sie. »Ich habe Infrarote immer gehasst.« Schimmernd wurde sie wieder sichtbar. Sie war klein und zierlich, mit blondem Haar und heller Haut, ihre blauen Augen waren vom Wandeln fast grün geworden. Sie hatte Schlitzaugen und ein Gesicht wie ein Frettchen. Ihr Haar war in zwei Zöpfen nach hinten gebunden. Einen der Zöpfe hatte Kips Dolch halb durchtrennt. Sie zog eine Pistole.
Kip schnappte sich Janus’ kleinen Hocker und warf ihn in Richtung Meuchelmörderin. Sie sprang zur Seite, aber sie hatte bereits abgedrückt. Die Pistole knallte laut, ihr Geräusch von dem kleinen Raum noch verstärkt. Die Bleikugel prallte von der Wand ab, und mehrere laute Heultöne gellten durch den Raum, einer lauter als der andere.
Die Frau fluchte und griff nach ihrem Bein. Entweder hatte die Kugel sie getroffen, oder sie täuschte es nur vor. Kip war sich nicht darüber im Klaren, ob und wie stark er sie verwundet hatte. Sie warf mit der Pistole nach ihm, verfehlte ihn aber, und dann griff sie mit dem Kurzschwert an.
Ihr Schwert war alles andere als eine Fechtwaffe. Kurz und breit, war es dazu gedacht, den Ahnungslosen hinterrücks niederzustechen und sicherzustellen, dass schon ein einziger Stoß tödlich war. Kips Klinge war fast genauso lang, aber schmaler und schärfer, doch war er ein viel schlechterer Kämpfer und bot ein viel größeres Ziel.
Allerdings war seine Gegnerin verletzt. Kip nahm Position für einen Messerkampf ein und versuchte sich an all das zu erinnern, was ihm seine Ausbilder beigebracht hatten. Die Meuchelmörderin könnte eine schlimmere Verletzung nur vortäuschen, um Kip dazu zu verleiten, etwas Dummes zu tun.
Geduld. Wenn sie verletzt war, würde sie etwas Unbesonnenes unternehmen, um den Kampf schnellstmöglich zu beenden.
»Jeden Augenblick werden Leute hier eintreffen«, sagte Kip. »Am besten, Ihr gebt …«
Sie machte einen Satz auf ihn zu. Er schlug ihr Kurzschwert zur Seite und rammte ihr seine lädierte linke Hand ins Gesicht. Immerhin taugte sie gut als Faust. Sie taumelte zurück, und ihr verletztes linkes Bein zitterte ein wenig.
Wenn er sofort nachgesetzt hätte, hätte er den Kampf wohl für sich entscheiden können, aber er zögerte, aus Angst, sie könnte ihn hereinlegen.
Taumelnd fing sie sich wieder, während ihr Blut aus der Nase quoll. Vielleicht übertrieb sie es mit dem Taumeln ein wenig.
»Alle Wachhauptmänner in den nächsten fünf Straßenblocks wurden bestochen«, erwiderte sie. »Und hörst du das?«
Kip war sich nicht sicher, wovon sie sprach. Ach so, der Donner.
»Das bedeutet, dass sich niemand, der die Schüsse gehört hat, irgendetwas dabei denken wird. Du wirst hier sterben, Feuerjunge.«
»Warum habt ihr das getan?«, fragte Kip. Zeit gewinnen. Er konnte sehen, wie sich ein Blutfleck auf ihrer dunklen Hose ausbreitete. Der Querschläger hatte sie getroffen.
Im Krieg gibt es keinen Betrug, sondern nur Überlebende und Opfer. Ausbilder Fisk hatte seinem Kurs diese Lektion immer wieder eingebläut. Schwarzgardisten wurden nicht zum Duellieren geschult, sondern zum Töten.
Kip war kein Messerkämpfer, aber er war stärker als diese Frau, besonders da sie vom Blutverlust geschwächt war. Sie hatten sich lauernd aufeinander zubewegt, und Kip befand sich nun wieder in Reichweite des Hockers.
»Wir hatten unsere Befehle«, antwortete sie. »Und wer zum Teufel bist du, damit ich melden kann, wen wir getötet haben?«
»Kip Guile«, erwiderte er.
»Guile?«
Kip schleuderte sein Messer nach der Frau. Wenn man nicht weiß, wie man Messer wirft, ist das Messerwerfen meist keine gute Idee. Kip hatte keine Ahnung vom Messerwerfen. Aber sie hatte den Wurf nicht erwartet – und er traf sie, direkt in die Brust. Allerdings mit dem Heft zuerst.
Doch sie sprang fluchend zurück, und Kip packte den Hocker und schwang ihn mit beiden Händen in großem Bogen.
Die Meuchlerin versuchte, sich weiter zurückzuziehen, aber sie stand bereits mit dem Rücken zur Wand, hatte keine Ausweichmöglichkeit. Kip legte seine ganze Kraft in den Schlag. Sie wollte ihn abwehren, aber er durchdrang ihre Verteidigung, wobei ein Bein des Hockers zu Bruch ging. Eine unhandliche Waffe.
Aber Kip wiederholte seinen vorangegangen Fehler nicht; dieses Mal setzte er sogleich nach. Im Raum war es nun etwas heller
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