Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
dass so etwas bei ihm sonderlich selten war. Karmesin? Wenn er genug Zeit hätte, könnte er vermutlich die eine oder andere Bedeutung aus den Bildern erschließen, aber er hatte das Gefühl, dass die Zeit knapp war. Als könne jeden Moment jemand kommen und ihm die Karten wegnehmen, so dass sie für immer verloren waren.
    Gleiter. Kondor. Brandmuskete. Gan Guvair. Helane Troas. Viv Grauhaut. Yras der Gießer. Eiserne Ulme. Plejade Poros. Der Schlächter von Aghbalu. Leuchtbombe.
    Wieder hielt Kip inne, blätterte zurück. Der Schlächter von Aghbalu. Der Mann war mit Blut besudelt, hielt einen flammenden Krummsäbel in der einen Hand, und stilisiertes blaues Feuer umloderte die andere. Er trug keinen Panzer, nur einen blutigen, zerrissenen Waffenrock, durch den seine massigen ebenholzschwarzen Arme und Schultern sichtbar waren. Er befand sich in einem Palast, und ringsum lagen in Massen die Körper der Toten. Er war noch ein junger Mann und trug keine Ghotra, sein krauses Haar war auf eine Art und Weise geflochten, wie sie Kip noch nie gesehen hatte, und doch war es unleugbar Hauptmann Eisenfaust. Kip hatte geglaubt, Janus Borig hätte an seiner Karte gearbeitet, eine Karte, die Eisenfaust als einen einäugigen Mann zeigte – und sie hatte anders ausgesehen als diese hier; aber das hier war Hauptmann Eisenfaust. Jünger, aber definitiv er. Kips Herz krampfte sich zusammen.
    Der Schlächter ?
    Er warf einen Blick auf die Waffen im Gestell an der Wand. Der Krummsäbel war dabei, ganz oben. Der Rücken geschwärzt, die Klinge glänzend. Granat und geschnitztes Elfenbein, Türkis und Perlmutt.
    Ein Teil von ihm wollte wandeln und direkt in diese Erinnerungen hineinspringen, aber er hielt sich zurück. Er musste erst alle Karten durchgehen, bevor ihn jemand unterbrach. Bestimmt suchte jemand nach ihm, bestimmt war es ihm nicht erlaubt, alles zu wissen; das wäre irgendwie allzu einfach.
    Er steckte die Karte zu den anderen, die er später genauer untersuchen wollte, und blätterte den Rest rasch durch. Der Schlächter von Ru war die nächste Karte; sie war künstlerisch ähnlich gestaltet wie diejenige Eisenfausts. Kips Magen drehte sich um. Er wusste von General Gad Delmartas Massaker. Auf dieser Karte schwang der grinsende Mann im Vordergrund in der einen Hand den Kopf eines Atashi an seinem Bart durch die Luft, und in der anderen hielt er den Kopf einer Frau an ihrem langen schwarzen Haar gepackt. Kip überlegte sich, was wohl innerlich mit ihm passieren würde, wenn er in diese Karte hineinsprang. Was würde er sehen, wenn er zu General Delmarta wurde? Was, wenn es überhaupt nicht schwer war, in diesen Geist einzudringen?
    Hier hatte er lebende Geschichte vor sich. Er konnte aus diesen Karten Dinge lernen, die niemand sonst wusste, die zu wissen niemand sonst eine Möglichkeit hatte. Und selbst wenn Kip kein richtiger Polychromat war und seine übrigen Farben nicht durchgängig wandeln konnte, so konnte er sie doch sehen , was bedeutete, dass ihm die ganze Geschichte hinter jeder dieser Karten zugänglich war – wie vermutlich nur wenigen anderen auf der Welt. Wer immer die Kontrolle über diese Karten hatte, war auch Herr über die Wahrheit. Diese Karten waren nicht einfach ein Schatz von gigantischem Wert in Gold, sie waren ein Blick ins Mark; sie legten die Lügen bloß.
    Jeder Mächtige würde diese Karten haben wollen, weil sie ihm so viel über seine Feinde zu sagen vermochten. Alle, die Geheimnisse zu verbergen hatten, würden sie vernichten wollen, damit ihre Feinde nicht hinter diese Geheimnisse kommen konnten.
    Jeder, der ein Geheimnis zu verbergen hatte. Wie etwa, dass er der Schlächter von Aghbalu war?
    Es überkam ihn wie eine schwarze Wolke, und der rauchspeiende Dämon der Verzweiflung riss Kips Mund auf und kroch seinen Hals hinunter. Hauptmann Eisenfaust war der einzige Mann gewesen, dem Kip geglaubt hatte vertrauen zu können. Und nun befand sich Kip in seinem Zimmer, mit Schätzen, die plötzlich sehr gefährdet waren.
    »Das bin nicht ich«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihm.
    Kip sprang auf, so erschrocken, dass er die Karten von unschätzbarem Wert nach links und rechts im Raum verteilte.
    »Bitte um Entschuldigung«, sagte Eisenfaust. »Ich dachte, du seist vielleicht beim Warten eingeschlafen. Ich wollte dich nicht wecken.« Er kniete sich hin, um Kip beim Aufheben der verstreuten Karten zu helfen.
    Er warf einen finsteren Blick auf die erste, die er aufhob. Sah dann zu Kip hinüber.

Weitere Kostenlose Bücher