Die Blendende Klinge
Euch nicht. Tatsächlich mag er Euch sogar. Andross Guile scheint irgendwie Einfluss auf ihn nehmen zu können. Ich habe nicht herausfinden können, woran das liegt, aber wir können den Ball zu ihm zurückspielen: Fragt ihn, ob er jetzt die Schwarze Garde zerstören will, nur weil Andross Guile hier seine schmutzige Wäsche wäscht.«
»Ihr hofft also, dass Carver Schwarz über die Sache hinweggeht.«
»Genau«, sagte die Weiße.
»Nun gut, aber zumindest ist Euch doch klar, dass Andross Guile nicht nachgeben wird.«
»Niemals.«
»Ich will das nicht verantworten müssen. Ich liebe meine Leute. Ich will nicht mit ihrem Leben spielen. Dieses Spiel sollen schlechtere Männer spielen als ich.«
»Oder Frauen«, sagte sie leichthin. Meinte sie sich selbst?
»Oder Frauen.« Er ließ sich durch ihre Selbstironie nicht einwickeln. Ihren Charme. Sie war gewiefter als er, schön und gut. Er musste dieses Spiel nicht mitspielen. »Ich bin in der Schwarzen Garde für meinen Posten der Beste, aber jeder Mann und jede Frau ist unserer Aufgabe treu ergeben. Mich zu verlieren ist ein schwerwiegender Verlust, aber keiner, von dem sich die Schwarze Garde nicht wieder erholen wird.« Er erhob sich. Hiermit war er fertig. Er würde das alles nicht vermissen.
»Ihr nehmt also an, dass Euer Nachfolger aus den Reihen der Schwarzgardisten erwählt werden würde.«
Er blickte sie erstaunt an. »Ich vermute, Ihr könnt wählen, wen immer Ihr wollt. Ihr werdet schon keinen schlechten Mann wählen, nur um mich zu ärgern. Ihr mögt jetzt damit drohen, aber ich kenne Euch zu gut. Sobald ich weg bin, gibt es für Euch keinen Grund, Euch selbst zu schaden.«
»Hört auf, gegen mich zu spielen, Einfaltspinsel! Versteht endlich, wie Andross Guile vorgeht. Sobald er Euch Eures Postens enthoben und Euch in Ungnade gebracht hat, wird er Eure Schande dazu benutzen, mein Urteilsvermögen in den Schmutz zu ziehen. Ihm dürften bereits die vier Stimmen sicher sein, die er benötigt, um eine Verfügung zu erlassen, die meine Amtsgewalt in diesem kleinen Punkt einschränkt: Und dann wird er , durch Carver, Euren Nachfolger ernennen.«
»Sicherlich …«
»Aber damit wird es nicht aufhören. Euer Nachfolger, vielleicht der junge Lord Jevaros – ideal geeignet, weil er ein getreuer Idiot ist –, wird seine Bedenken über meine sich verschlechternde Geistesverfassung kundtun. Gewisse Vorfälle werden so eingefädelt werden, dass sie mich senil erscheinen lassen. Man wird meine Verantwortung weiter eingrenzen und mir eindringlich ans Herz legen, bis zum Sonnentag zurückzutreten.«
Natürlich waren das bloße Vermutungen, jedoch erschienen sie Eisenfaust alle plausibel. »Aber … was will er erreichen? Lord Guile, meine ich. Warum all die Mühe? Was ist sein Ziel?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er strebt einfach nach Macht. Ich kenne diesen Mann. Wenn er könnte, würde er die Chromeria und die Satrapien auflösen, dem Prisma die Gefolgschaft verweigern und Herrscher der bekannten Welt werden. Ich glaube, diese Position würde er dann genau einen Tag lang einnehmen. Einen einzigen. Dann würde er entweder im Triumph schwelgen, alles, was vor ihm war, ausgelöscht zu haben, oder die Leere fühlen, die es bedeutet, Macht um keines anderen Grundes willen als der Befriedigung der eigenen Machtlust innezuhaben – und er würde sich das Leben nehmen. Denn es gibt keinen Grund, warum er zu herrschen wünscht. Er glaubt einfach nur, dass er es sollte. Es ärgert ihn, dass Unwürdigere herrschen, wo er doch denkt, dass er selbst herrschen sollte.«
»Ihr lasst es so einfach klingen – und inhaltslos.«
»Das Böse ist einfach und inhaltslos. Das Böse hat keine geheimnisvollen Tiefen. Wir blicken in ein dunkles Loch und füllen es mit unseren Ängsten, aber es bleibt trotzdem nur ein Loch.«
»Glaubt Ihr an Orholam, oder war das auch nur eine notwendige Lüge?«
»Ich habe große Fragen an ihn; er hat nicht geruht, sie zu beantworten.«
Als junger Mann hatte er etwas Ähnliches geglaubt. Er hatte gedacht, dass Orholam die Gebete der Großen und der Heiligen hörte. Er selbst hatte mit Blut an den Händen gebetet, daher war er nicht erhört worden. Entschuldigungen. Er hatte sich über zwanzig Jahre lang Entschuldigungen für Orholam ausgedacht. Weil die Alternative einfach zu fürchterlich war. Aber jetzt war es so weit. Er wollte nicht mehr an Lügen glauben.
»Aber dennoch glaube ich«, betonte die Weiße. »Und mein
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