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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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antreten, verdammt! Es ist mir völlig gleich, ob ihr nackt seid oder auf dem Scheißhaus – ihr sollt auf der Stelle öffnen!«
    Karris riss die Tür auf, sofort alarmiert, alle Tränen vergessen. »Was ist los?«, fragte sie.
    Wachhauptmann Klinger sah sie an. Ihr Umhang bedeckte weder ihr Spitzenkleid noch ihre Schminke, ihr Parfüm, ihr sorgfältig frisiertes Haar oder ihre vom Weinen verquollenen Augen. Er zögerte nur einen Moment, kämpfte gegen seine Überraschung an, entschied dann, dass das , was auch immer es zu bedeuten hatte, warten konnte. »Alle antreten, Karris. Ihr werdet sofort oben gebraucht. Irgendein Mädchen ist gerade vom Balkon des Prismas gestürzt. Sie ist tot. Wir glauben, dass er sie hinuntergeworfen hat.«
    Gavin blickte zum Mond hinauf und wandelte langsam dessen schwaches Licht. Sein Plan war einfach – er wollte ein Seil wandeln und es aus dem Fenster baumeln lassen, um allen vorzuspiegeln, er sei geflohen.
    Aber er konnte nunmehr weder Grün noch Blau wandeln. Ein Seil war unmöglich. Er lehnte am Türrahmen und schluckte mühsam. Er hatte nie zuvor über dergleichen nachdenken müssen. Die einfachste Antwort war immer die beste gewesen. Solange er alle Farben auf seiner Palette gehabt hatte, hatte er bloß die besten Materialen für sein Vorhaben finden müssen. Jetzt … jetzt ging es ihm wie irgendeinem stinknormalen Wandler, der versuchte, mit seinen beschränkten Möglichkeiten ein Problem zu lösen. Es war eine völlig unterschiedliche Art zu denken. Es gefiel ihm nicht.
    Während er mit dem Problem kämpfte, schnappte er sich frische Kleider aus seinem Schrank und zog sich an. Er könnte vermutlich eine gelbe Kette wandeln, aber das würde ihnen die Frage geradezu aufdrängen, warum er es denn vorzog, nur Gelb zu wandeln, was doch viel schwieriger und zeitraubender war. Solche Fragen könnten sich als tödlicher erweisen als die Tötung der Tochter eines mächtigen Edelmanns.
    Er schob den Gedanken von sich. Keine Zeit.
    Dann also nur ein offenes Fenster.
    Da sah Gavin die Schimmermäntel in seinem Schrank. Er warf sich den größeren der Umhänge über die Schultern. Er wusste, dass das Halsband wichtig sein musste, also legte er es an, so dass es ganz fest saß. Er konnte es nicht ausstehen, irgendetwas um seinen Hals zu haben, und da waren kalte metallene Ausbuchtungen an der Innenseite, die unangenehm in seinen Hals drückten.
    Er stellte sich vor den Spiegel. Er war noch immer ziemlich gut sichtbar. Er schlang den Umhang fest um sich. Noch immer sichtbar. Er schloss die Augen und stellte sich vor, unsichtbar zu sein, verlangte es, gierte danach, glaubte es. Immer noch da.
    Ein leises Klopfen an der Tür. Gavin wandelte instinktiv, um sich verteidigen zu können.
    Dolche bohrten sich von beiden Seiten in seinen Hals. Wie eine Feuerwand schoss es Gavins Körper hinauf und hinunter: die Wangen heiß, die Kopfhaut in Flammen, brennende Brust, brennende Arme, brennende Beine. Dann klang die Hitze ab und ließ ein Kribbeln zurück. Das Kribbeln wandelte sich in Feinfühligkeit; wie ein Zahn, der empfindlich auf kalte Getränke reagiert.
    Er blickte in den Spiegel – und sah durch sich selbst hindurch. Sein Gesicht war sichtbar und auch das V seines Halses, wo der Umhang nicht ganz geschlossen war. Die Halskette hatte zwei Nadeln in seinen Hals gestochen. Gavin zog den Umhang ganz zu und stellte fest, dass es kleine Haken im Stoff gab, mit denen er den Umhang selbst über seinem Gesicht schließen konnte. Nur seine Augen blieben. Der Rest von ihm war lichtdurchlässig – nicht völlig durchsichtig, aber es war, als würde man durch ein schmutziges Fenster schauen. Bei schlechtem Licht war es mehr als ausreichend. Wenn er reglos an einer Wand stehen blieb, war es perfekt. Aber wenn er sich in hellem Licht schnell bewegte, würde er leicht zu bemerken sein.
    Lauteres Klopfen. »Herr, bitte lasst uns herein!«
    Gavin zog den Kopf ein, um zu sehen, ob er seine Augen unter der überhängenden Kapuze verstecken konnte, um somit praktisch unsichtbar zu sein. Wenn er das tat, sah er gar nichts mehr. Ihn umgab eine so tiefe Schwärze, dass eine instinktive Angst in ihm aufstieg.
    Wollte er also einer peinlich genauen Überprüfung entgehen, musste er sich selbst blind machen, um ganz und gar unsichtbar zu sein. Toll. Beängstigend.
    Das Fenster war bereits offen. Gavin stand an einer Wand neben der Tür.
    »Lord Prisma«, rief Hauptmann Eisenfaust. »Wir sind gekommen, um Euch

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