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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Frau des Mondlichts – sollte alle möglichen Dinge verkörpern, manche in direktem Widerspruch zueinander. Aber was immer sonst diese Göttin sein mochte – weiblich war sie jedenfalls nicht. Anders als seine zwölf Riesen war dieser Gott nicht größer als Gavin. Offenbar war er der Ansicht, dass wahre Macht nicht mit dem vulgären Mittel einer größeren Körperstatur demonstriert werden musste. Wenngleich Atirat in anderen Punkten nicht sonderlich daran gelegen schien, Vulgaritäten zu vermeiden.
    Es befand sich kein menschliches Fleisch mehr an seinem Körper. Überall bestand seine Haut aus so dünn wie Seidenstoff gewebtem Luxin. Langgezogene, ineinander verschlungene Figuren, die bei jeder Bewegung seiner Arme oder Beine miteinander zu kopulieren schienen, waren auf seine Muskeln aufgetragen. Sein langes Haar war ein Bildteppich aus Weinranken und Schlangen. An der eng um seine Kehle gelegten goldenen Halskette prangte ein einzelner schwarzer Edelstein. Als er sich nun bewegte, glitten seine Muskeln auseinander und enthüllten scharlachrote Nähte, die vielleicht aus roter Birkenrinde bestehen mochten oder einfach die von seiner Luxin-Haut ungeschützten Adern waren. Er war barbrüstig und trug einen Rock aus lebenden Weinranken. Auf seiner Brust lockten sich Haare aus Moos, und überall auf seinem Körper sprossen Blätter und Gras, um zugleich auch wieder zu welken.
    Das Ganze wirkte so echt, dass selbst Gavin nicht zu sagen vermocht hätte, ob es Wirklichkeit oder Täuschung war.
    Die Augen des Gottes waren Splitterkeile aus Feuerstein, und er schien von innen her zu leuchten; strahlte vor Macht, vor Licht, vor Leben, vor Magie. Gavin nahm an, dass alles noch viel beeindruckender sein würde, wenn er noch grün sehen könnte. Aber etwas an der Art, wie sich dieses Wesen bewegte, schien ihm vertraut. Oh, Orholam, erbarme dich. Die Spione hatten sich nicht getäuscht.
    »Dervani Malargos«, sagte Gavin. »Ich hätte nie gedacht, Euch einmal im Damenkleid zu sehen. Ich würde ja fragen, was Ihr seit dem Krieg so alles getrieben habt, aber ich nehme an, ich kann es mir auch so denken.« Eine Kakerlake kroch dem Gott aus der Achselhöhle und verschwand in seinem Arm. »Hübsches Käferchen. Nehmt Euch vor den Termiten in Acht.«
    Innerlich wurde Gavin das Herz bleischwer. Er hatte Seite an Seite mit Dervani Malargos gekämpft. Er, Dazen, nicht er, Gavin. Seine eigene Mutter hatte ihm gebeichtet, einen Meuchelmörder auf Dervani angesetzt zu haben. Offensichtlich hatte der Meuchler gelogen, als er ihr von seinem Erfolg berichtete. Dervani war der Vater von Tisis. In jedem Fall hatte Dervani keinerlei Grund, Gavin zu lieben – und Dazen, ehrlich gesagt, genauso wenig.
    Dervani war es wert gewesen, umgebracht zu werden, denn er hatte Dazen gekannt. Er war dabei gewesen, ganz am Ende, bei den Getrennten Felsen. Er hatte womöglich alles mit angesehen. Wenn Felia Guile recht gehabt hatte, wäre er in der Lage, ihn zu demaskieren und …
    Aber vielleicht sollte ich mir mehr Sorgen über die Möglichkeit machen, dass er mich jetzt hier an Ort und Stelle tötet, und weniger darum, ob er mir in irgendeiner hypothetischen Zukunft das Leben ruinieren könnte.
    Atirat hob die Hände, und Gavin spürte, wie die Riesen hinter ihm emporgehoben und zurückgeschoben wurden.
    »Gavin«, sagte Karris. »Gavin!« Sie war gerade dabei, ihre Pistole neu zu laden, steckte bereits die Bleikugel in das Schusspflaster und stopfte beides in den Lauf. Auch wenn Gavin kein Grün sehen konnte, konnte er doch den Strang dunkleren Luxins sehen, der von ihren Augen zu ihren Händen floss. »Gavin«, sagte sie, »das bin nicht ich, der das macht. Renn weg!«
    »Du kannst mich nicht erschießen«, sagte Gavin.
    »Verdammter Idiot! Das bin nicht ich!«
    »Ihr bleibt«, donnerte Atirat mit einer Stimme, die klang wie aufeinanderrollende Steine. Atirat zeigte mit dem Finger auf Gavin, und ein Spinnenfaden aus Luxin kam vom Boden unter Gavins Füßen emporgekrochen. Gavin schlug ihn weg. »Was ist das?« Atirat lachte. »Daher also haben wir gewonnen. Ihr habt Grün verloren. Ihr seid ein gebrochenes Prisma, und dennoch seid Ihr im Amt geblieben. Ich vermute, dass ich mich bei Euch für Euren starrsinnigen Stolz bedanken sollte, Guile. Danke und lebt wohl.«
    Karris hob wie eine Marionette ihre Pistole und feuerte auf Gavins Kopf.
    Im letzten Moment schlug er ihre Hand zur Seite. Die Kugel brannte Gavin eine Furche über den Hals. Ranken

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