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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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zurücklassen. Was immer dann mit ihm geschah, sie würde sich nicht einmischen können. Aber einer Frau ein Jahr ihres Lebens zu stehlen, die höchstwahrscheinlich nur noch fünf Jahre zu leben hatte, war kein geringes Vergehen.
    Gavin richtete sich auf. Das alles führte nirgendwohin.
    Karris, die zum Wasserlassen in den Wald gegangen war, kam gerade zurück.
    »Irgendwelche brennenden Kräuter?«, fragte Gavin.
    Sie errötete, als sie sich an jenes Missgeschick erinnerte. »Ich bin heutzutage eine Spur vorsichtiger, was das betrifft.«
    »Gebranntes Kind scheut das Feuer, was?«, fragte Gavin, stand auf und reckte sich. Er musste selbst mal.
    »In manchen Dingen schon.« Sie hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen.
    Er trat in den Wald und begann zu urinieren. Vor fünfzehn Jahren war es ihm peinlich gewesen, wenn jemand nur zwei Schritte entfernt stand, während er sich erleichterte. Die Notwendigkeit, sich von Schwarzgardisten beschützen zu lassen, hatte ihn diese Verlegenheit schnell überwinden lassen. Vor allem wenn sie in der Wildnis unterwegs waren, kam es überhaupt nicht in Frage, dass ihn seine begleitende Schwarzgardistin aus den Augen ließ.
    »Gavin? Danke«, sagte Karris.
    Gavin pinkelte. Er war klug genug, nicht zu reden, klug genug, nicht amüsiert darüber zu lachen, recht behalten zu haben. Er räusperte sich. »Also, was meinst du: Wird dieses Dritte Auge heute kommen?«, fragte er.
    »Jede Wette«, antwortete Karris, deren Stimme plötzlich leicht nervös klang. Er hörte, wie sie ihre Pistole spannte.

22
    »Auch wenn es euch jetzt noch nicht klar sein mag – dieses Fach ist das bedeutendste, in dem einige von euch je Unterricht bekommen werden«, sagte Magistra Hena. Sie war gleichzeitig unmöglich groß und unmöglich mager, mit einer schlechten Körperhaltung, schlechten Zähnen und dicken, farblosen Brillengläsern zur Sichtkorrektur, die ihre Augen unterschiedlich groß wirken ließen. »Für die meisten von euch Jungen wird es das einzige Mal sein, dass ihr einen Geschmack davon bekommt, wie großartig es ist, aus Luxin richtige Bauwerke herzustellen. Daher wird es euch gut zu Gesicht stehen, aufmerksam zu sein, damit ihr wisst, was die Frauen leisten, für die ihr arbeitet. Wenn ihr gut darin seid, kann es natürlich sein, dass ihr die entsprechenden Berechnungen anstellen dürft, und so wird sich ein großer Teil meines Unterrichts um die fraglos vergleichsweise profane Aufgabe drehen, den Umgang mit dem Abakus und das Anfertigen von Skizzen zu lehren. Die technische Planung ist eine Sache des Wissens. Bauen ist eine Kunst. Jeder kann Ersteres lernen, Letzteres ist den besten Frauen vorbehalten.«
    Einer der Jungen hob mit verdrießlicher Miene die Hand. Sie rief ihn auf.
    »Magistra Hena, warum dürfen wir nicht bauen?«
    »Weil es einzig Superchromaten gestattet ist, mit Luxin zu bauen. Eure Augen, ihr Jungen, sind minderwertig. Bei einigen Anwendungen könnt ihr euer mangelhaftes Wandeln mit genug Willenskraft überdecken und indem ihr genug Luxin auf das Problem sprüht. Das geht aber nicht im Fall eines Gebäudes, auf dessen Festigkeit Menschen vertrauen müssen. Nur Frauen, und nur Superchromatinnen, ist es gestattet zu bauen. Es lohnt sich nicht zu sterben, nur weil man das Risiko eingegangen ist, einem Mann zu vertrauen.«
    »Aber warum, Magistra Hena? Warum können wir nicht genauso gut wandeln?«, fragte der Junge. Er klang wie weinerliches Greinen. Selbst für Kip, der die Sache ebenfalls unfair fand.
    »Das ist mir ganz gleich«, antwortete Magistra Hena. »Fragt einen Luxiaten oder einen eurer Religionslehrer. Für heute werde ich die Superchromatinnen unter euch aussondern. Ja, ich weiß, ihr habt das bereits getestet, aber ein Techniker vertraut nicht, ein Techniker kontrolliert. Was man nicht aufzeigen kann, gibt es auch nicht. Auf den Schiefertafeln vor jedem von euch befinden sich sieben Luxin-Stäbe. Nur an einer Stelle dieser Stäbe ist das Luxin absolut perfekt gewandelt. Markiert diese Stelle mit eurer Kreide. Ich komme dann eure Arbeit überprüfen und werde die Superchromatinnen bitten aufzustehen und sich vor der Klasse zu versammeln.«
    Kip betrachtete die Luxin-Stäbe und griff nach der Kreide. Ob er ihr nun Folge leistete oder nicht, er war beide Male beschissen dran, das wusste er. Er war ein Superchromat und ein Junge. Eine Anomalie. In der Gruppe der Auserwählten zu sein würde ihm nicht helfen, weil keiner der anderen Jungen mit ihm in dieser

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