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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Gruppe sein würde. Sie würden ihn dafür verachten, dass er mit den Mädchen zusammen war, und die Mädchen würden ihn auch nicht so behandeln, als gehöre er dazu. Er würde anders sein, was auch immer geschah.
    Und weil Magistra Hena die Ergebnisse der ersten Prüfung gesehen hatte, würde sie ihn, wenn er den Test nicht bestand, fragen, ob er absichtlich versagt hatte. Sie schien nicht der Typ zu sein, der »Es ist einfach zu peinlich, als Junge ein Superchromat zu sein« als Antwort durchgehen lassen würde.
    Kip machte seine Markierungen. Es war leicht. Überall im Raum blinzelten sowohl Jungen als auch Mädchen, betrachteten die Stöcke aus verschiedenen Winkeln und hielten sie ans Licht. Kip hatte plötzlich Mitleid mit den Mädchen, die es nicht schafften. Es war etwas anderes, wenn Jungen versagten. Niemand erwartete von ihnen, dass sie bestanden. Aber die Hälfte der Mädchen bestand. Eine Zahl, die groß genug war, um ein Scheitern peinlich erscheinen zu lassen. Zu scheitern bedeutete, wie die Jungen zu sein. Es bedeutete, dass man eine zweitklassige Wandlerin war. Er konnte ihnen ihre Qualen ansehen.
    »Es ist kein Test, den ihr bestehen könnt, indem ihr euch mehr Mühe gebt«, sagte Magistra Hena. »Entweder seht ihr den Unterschied, oder ihr seht ihn nicht. Es ist ein Scheitern, aber es ist kein persönliches Scheitern. Es gibt nichts, was ihr tun könnt, um den Test zu bestehen. Entweder wurdet ihr gesegnet geboren oder nicht. Und jetzt legt die Kreide weg.«
    Entweder wurdet ihr gesegnet geboren oder nicht? Herzlichen Dank auch. Das macht es ja so viel besser.
    Magistra Hena schritt den Raum ab und nahm sich einen Schüler nach dem anderen vor. »Nach vorne … nach vorne … hierbleiben … hierbleiben. Bleib sitzen, bleib sitzen, bleib sitzen.« Sie trat hinter Kips Platz. »Bleib – äh …«
    Sie nahm seine Tafel, dann auch die Tafeln seiner Nachbarn. Kip vermutete, dass es nur eine gewisse Anzahl verschiedener Testergebnisse gab und sie sich nun vergewissern wollte, ob er bei einer echten Superchromatin gespickt haben könnte, um an die richtigen Lösungen heranzukommen.
    Anscheinend hatte sie noch nicht von ihm und seinem ersten Test gehört. Na großartig.
    »Da, der Junge neben dir, nimm seinen Test«, befahl Magistra Hena.
    Kip verkniff das Gesicht, als die ganze Klasse ihn ansah. Er griff nach seiner Kreide und strich schnell die gewünschten Stellen auf der Tafel des Jungen an – die Markierungen des Jungen waren natürlich vollkommen falsch.
    »Hmm, ein männlicher Superchromat . Das ist seit Jahren nicht mehr vorgekommen«, murmelte Magistra Hena. »Na gut. Nach vorn.«
    Sie teilte noch den Rest der Klasse auf, dann begab auch sie sich nach vorn, um das Wort an diejenigen zu richten, die bestanden hatten. »Also gut. Mädchen … und Junge, ihr durftet nach vorn treten, weil Orholam euch begünstigt hat. Ihr wisst die Schönheiten von Orholams Schöpfung auf eine Weise zu würdigen, die dem Rest dieser Klasse und dem größten Teil der Welt verschlossen bleibt. Das bedeutet jedoch auch, dass von euch mehr erwartet wird. Deshalb habe ich euch herausgerufen, nicht weil es mich interessiert, welcher Umstand der Geburt euch bessere Augen gegeben hat als den Übrigen. Aber da ihr nun mal tatsächlich bessere Augen besitzt, habt ihr auch eine Verantwortung Orholam und mir gegenüber, diese Augen auf die rechte Weise zu nutzen. Verstanden?«
    »Ja, Magistra«, sagten die Mädchen mit schwachen Stimmchen.
    Sie zog die Augenbrauen hoch und musterte sie über den Rand ihrer hervorgewölbten Brillengläser hinweg. Sie wiederholten es, lauter. Kip stimmte mit ein, damit er nicht noch mehr auffiel.
    »Gut. Jetzt der Abakus. Ist irgendjemand von euch hier aus Tyrea?«
    »Nein? Oh, der Junge, natürlich«, sagte sie, als Kip sich meldete. Sie fuhr fort: »Tyrea war – trotz allem, was dagegen spricht – einst der Sitz eines großen Reiches, lange bevor Lucidonius kam. Vielleicht hatte sein Verfall schon begonnen, als er erschien, vielleicht hat er auch dazu beigetragen. Doch das ist ein Thema für den Geschichtsunterricht. Das tyreanische Reich hat uns einige Geschenke und einige Übel gebracht. Das einzige dieser Geschenke, das mich im Hinblick auf die Ziele eures Unterrichts interessiert, ist das Duodezimalsystem als Rechengrundlage. Tyrea ist der Grund, warum unser Tag in zwei Hälften zu zwölf Stunden und Stunden zu sechzig Minuten eingeteilt ist. Einigen der Aborneaner und

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