Die Blendende Klinge
behauptete stets, ein mittelmäßiger Spieler zu sein, obwohl er den Spieltisch selten mit weniger verließ, als er mitgebracht hatte. Er genoss jedoch den Ruf eines liebenswerten Spielers, der mit feinem Branntwein und erstklassigem Tabak aufwartete, und so begab es sich, dass er mit allen möglichen Männern aus allen Sieben Satrapien spielte. Wir waren schon drei Jahre verheiratet – und ich begann gerade erst, mich wirklich in ihn zu verlieben –, als er mich zum ersten Mal zu einer dieser Gesellschaften mitnahm. Im Nachhinein hätte er sicher einen anderen Abend für mich gewählt … An diesem Abend kam auch ein junger Edelmann aus der Familie der Varigari. Die Varigari waren zuerst eine Fischerfamilie gewesen, bevor sie in den Blutkriegen in den Adelsstand erhoben wurden. Unerfahren, aber dreist gesellte sich der junge Lord zum Kreis der Spieler, und im Laufe der Nacht verlor er ein kleines Vermögen. Die Edelleute, mit denen mein Mann in dieser Nacht spielte, waren wohlhabende und anständige Männer, keine Wölfe. Sie konnten sehen, was geschah. Sie rieten dem jungen Varigari aufzuhören. Er weigerte sich. Er gewann oft genug, um nicht die Hoffnung zu verlieren, und ich konnte die Resignation auf den Gesichtern der anderen sehen: Er wird ein kleines Vermögen verlieren, und das wird ihm vielleicht eine Lehre sein, also soll es wohl so sein. Die Morgendämmerung kam, und er hatte nichts mehr, und dann kam der Moment, wo er ein kleines Schloss setzte, um im Spiel zu bleiben. Ich sah diesen Ausdruck auf seinem Gesicht. Er hat sich förmlich in mein Gedächtnis eingemeißelt. Wisst Ihr, was er empfunden hat?«
Eisenfaust konnte es genau in diesem Moment auch empfinden, und die Erinnerung war ganz frisch und lebendig. »Lähmendes Entsetzen, aber auch euphorische Hochstimmung. Es hat etwas Machtvolles zu wissen, dass man sein Leben an einen Wendepunkt gezwungen hat. Es ist heller Wahnsinn.«
»Ich blickte zu meinem Mann hinüber, außerstande zu glauben, was ich da sah. Alle anderen hatten ihre Augen auf den jungen Varigari geheftet, während mein Mann alle Übrigen ansah. Und da begriff ich eine Reihe von Dingen gleichzeitig.« Sie hustete in ihr Taschentuch, das sie dann begutachtete. »Ich mache mir immer Sorgen, dass ich irgendwann einmal Blut husten könnte. Aber es ist noch nicht so weit, Orholam sei gedankt.« Sie lächelte, um seine Beunruhigung zu zerstreuen, und fuhr fort: »Erstens über den jungen Mann: Das kleine Vermögen, das er verloren hatte, war für ihn kein kleines Vermögen, und das kleine Schloss, das er gesetzt hatte, war wahrscheinlich das Letzte, was seine Familie besessen hatte. Für ihn war es keine Lehre: Es war der Ruin. Zweitens: Mein Gemahl war kein mittelmäßiger Spieler. Er hatte das beste Blatt, und er war reich genug, um zu riskieren, es auch zu spielen. Er war ein kundiger Spieler, aber auch einer, der darauf achtete, dass er selten gewann, weil er fand, dass es etwas Wertvolleres für ihn gab, als kleine Vermögen zu gewinnen und als ein großer Neun-Könige-Meister bekanntzuwerden. Worum es ihm in Wirklichkeit ging, war, sich bei jedem Spiel ein Bild von seinen Mitspielern zu machen. Er wollte nicht nur erfahren, was ihr Verhalten beim Spielen über ihr jeweiliges Blatt verriet, sondern vor allem wollte er daraus schließen, wie sie generell auf die Launen des Schicksals reagierten. War jener Satrap habgierig? Konzentrierte diese Farbe sich so sehr auf nur einen Gegner, dass sie eine echte Bedrohung gar nicht wahrnahm? War ein Dritter klüger, als alle dachten?«
Eine beängstigende Vorstellung, dass die Weiße einen Mann geheiratet hatte, der genauso klug war wie sie.
Mehr sagte sie nicht.
»Und?«, fragte Eisenfaust.
»Und?«, wiederholte sie.
»Da sollte doch irgendwo eine Lehre drinstecken«, vermutete Eisenfaust.
»Ach ja?«, erwiderte sie, aber in ihren Augen funkelte und tanzte es. »Ich bin so alt.«
»Ich kenne Euch zu gut, um zu glauben, dass Ihr einfach Eure Gedanken schweifen lasst.«
Sie lächelte. »Wenn die höchsten Einsätze auf dem Tisch liegen, Hauptmann, ist es gut zu wissen, welche Rolle man selbst in diesem kleinen Drama spielt.«
Das Problem, wenn alle ringsum hochintelligent sind: Sie erwarteten, dass dein Verstand genauso flink arbeitet wie der ihre. Eisenfaust hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Irgendwann würde er es kapieren, das tat er immer, aber er würde eine Weile darüber brüten müssen. »Wenn ich eine Frage stellen
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