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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Grenzen. In manchen Sparten zahlen wir drauf.«
    Mein Blick wanderte langsam durchs Zimmer, dann nickte ich.
    »In sehr bescheidenen Grenzen. Umgekehrt könnte man doch aber auch sagen: jede Versicherung muß bemüht sein, sich vor vermeidbaren Verlusten zu schützen.«
    Er nahm sich aus seinem Päckchen eine Zigarette. Ich gab ihm Feuer. Er hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Ganz richtig, Herr Renner. Eine überaus scharfsinnige Feststellung.«
    Ich beugte mich weit vor und streifte die Asche meiner Zigarette vorsichtig in die Schale aus Onyx. Ich sagte: »Was würden Sie beispielsweise tun, um den Verlust einer halben Million Mark zu vermeiden?«
    Sein freundliches, rundes Gesicht bekam den Ausdruck einer Katze, die freundlich auf eine Maus lauert.
    »Einiges, Herr Renner. Ich würde da allerhand tun. Natürlich käme es auf die Art des Falles an.«
    Ich drückte entschlossen meine Zigarette aus.
    »Würden Sie einem Mann, der Sie vor einem so hohen Verlust bewahrt, aus einer Patsche helfen?«
    Ich roch angelegentlich an meiner rechten Hand, die immer noch leise nach dem süßlichen Parfüm einer Frau namens Erna duftete. Erna Holzinger? Oder wirklich Erna Heidemann? Könnte Mister Imbiß ein Herr Heidemann sein?
    Der Direktor lehnte sich behaglich zurück.
    »Ich will Ihnen mal etwas sagen, junger Mann: Spielen Sie mit offenen Karten. Sie haben mit dieser Illustrierten nicht das geringste zu tun.«
    »Stimmt«, sagte ich. Er lächelte; ich sah einiges Gold zwischen seinen Zähnen blitzen.
    »Ich habe mich natürlich nach Ihnen erkundigt«, sagte er, »noch ehe Sie hier hereinkamen. Meine Sekretärin draußen ist instruiert. Wenn ich auf diesen weißen Knopf drücke, ruft sie die Polizei an, vorher aber ist unsere Hauswache schon da. Das nur zu Ihrer Information. Und jetzt zur Beantwortung Ihrer Frage: ich würde für eine halbe Million eine ganze Menge riskieren. Ich würde jemandem auch aus der Patsche helfen, vorausgesetzt natürlich, daß ich damit nicht mit dem Gesetz in Konflikt komme.«
    Der Schein trog also wieder einmal. Dieser Mann konnte mehr, als nur ein paar Zahlen addieren. Ich holte tief Luft und sprang, bildlich gemeint, kopfüber ins eiskalte Wasser.
    »Es geht um meinen Kopf und um Ihre halbe Million. Es fing eigentlich damit an, daß Ihre AVAG sich weigerte, mir einen zerbeulten Kotflügel zu bezahlen. Ich hatte eine ganz schöne Wut auf Ihre Gesellschaft. Außerdem aber stand mir das Wasser bis zum Hals, als ich den Mann im Imbißraum des Bahnhofs traf.«
    Und dann erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Fast so, wie sie sich zugetragen hatte. Meine Beichte schloß ich mit den Worten: »Sie müssen sich jetzt entscheiden, ob Sie der Polizei oder mir vertrauen wollen. Wenn Sie die Polizei rufen, wird man mich in Untersuchungshaft nehmen. So was kann in Deutschland für zwei Jahre vorhalten. Mindestens aber so lange, bis der wirkliche Mörder über alle Berge ist. Und das würde für Sie bedeuten, daß Sie der Duklas-Witwe die halbe Million auszahlen müßten. Würde ich aber der Polizei meine Geschichte von dem Selbstmord erzählen, den ganzen Unfug mit den zerrissenen Hundertmarkscheinen, von dem Überfall auf mich — wo bliebe dann das Geld, das der Tote angeblich bei sich hatte? Außerdem würden mir weder Staatsanwalt noch Richter, nicht einmal die dümmsten Geschworenen diese Geschichte abkaufen. Und...«
    Wieder blitzte das Gold zwischen seinen Zähnen.
    »Aber von mir erwarten Sie, daß ich Ihnen aufs Wort glaube?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Als ich zu erzählen anfing, glaubte ich es. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Mein einziges Argument: warum bin ich, falls ich einen Mord begangen und Geld geraubt hätte, nicht gleich geflohen? Warum sitze ich überhaupt hier?«
    Er blickte mich schweigend an, eine Minute mindestens. Endlich sagte er: »Und wenn ich mich entschlösse, Ihnen zu glauben?«
    »Dann könnte ich gewissermaßen für Sie, im Auftrag der AVAG arbeiten, Herr Direktor. Wir hätten dann beide eine reale Chance: Sie Ihre halbe Million, und ich einen Artikel und ein vernünftiges Honorar.«
    Er legte seine Patschhändchen mit den dicken Fingerspitzen zusammen und drückte so lange, bis die Gelenke knackten.
    »Was wollen Sie unternehmen, um den angeblichen Mord zu klären?«
    »Ich muß herausfinden, wo dieser Holzinger hingekommen ist und wie er zu Erna Heidemann steht. Ich muß herausfinden, wer der Mann im Imbißraum gewesen ist. Ich muß herausfinden,

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