Die Blüte des Eukalyptus
letzten Woche geradezu fieberhaft genäht hatte, war sie erleichtert. Bei dem Gedanken an Joseph Blooms Bankett heute Abend stieg eine Welle von Vorfreude und nervöser Erwartung in ihr auf.
Sie führte das Bügeleisen zuerst über ein weißes Tuch, damit es keine Rußspuren auf dem angefeuchteten Taft hinterließ. Sie hatte Sunny den ganzen Stoffballen abgekauft; so würde keine andere Frau in Ironbark in einem Kleid aus demselben Stoff erscheinen können. Heute Abend musste sie sich von ihrer besten Seite zeigen. Jake hatte Joseph Bloom versprochen, rechtzeitig zu seinem Fest wieder da zu sein – und jeder wusste, dass Jake immer Wort hielt. Es war sein ganzes Kapital.
Obgleich sie Jake seit Wochen nicht gesehen hatte, war Keziah fest davon überzeugt, dass Jenny bald aus Neuseeland zurückkommen würde. In ihren Träumen wurde sie von dem Gesicht auf dem Bild verfolgt, das Daniel von ihr gemalt hatte. Jake trug es stets bei sich. Wie verabscheute sie diese blonde Verführerin – diese Frau war alles, was sie nicht war. Und Jake war derart besessen von ihr, dass er auf der Stelle zu seiner Frau zurücklaufen würde, wenn sie nur mit dem Finger schnippte. Keziah musste schnell handeln.
Sie wusch ihr Haar mit Rosmarinöl. Dann setzte sie sich in die Sonne und las erneut den Zeitungsbericht von letzter Woche über Caleb Morgan, einziger Überlebender seiner unglücklichen Expedition, der nun in der Gesellschaft in South Australia umschwärmt wurde.
Trotz seines Scheiterns wurde dem Namen der Morgans tatsächlich jener Ruhm in den Geschichtsbüchern zuteil, den sie vor Jahren vorausgesagt hatte, als sie ihm aus der Hand gelesen hatte. Natürlich würde man nun ein hübsches Sümmchen an Spendengeldern für ihn sammeln. Wetten, dass der Eingeborene, der ihn durch die Wüste getragen und sein Leben gerettet hat, nicht einen einzigen Penny als Belohnung erhält? In den Zeitungen steht nicht einmal sein richtiger Name, nur ein Spitzname, den die gaujo ihm gegeben haben .
Sie warf einen Blick auf die Schublade, in der sich Joseph Blooms kostbare Urkunde befand. Der Beweis, dass sie das Kind, das in Ironbark ausgesetzt worden war, legal adoptiert hatte. Sie war bereit, den Kampf um Gabriels Vormundschaft mit Caleb anzunehmen, bewaffnet mit dieser Adoptionsurkunde, einem Ehemann, der vor Gericht zu ihr stehen würde, und vor allem ihrem Kumpel an ihrer Seite. Als sie an Jake dachte, nahm sie sich vor, ruhig zu bleiben, aber sie war viel zu zerstreut, um Jakes Gesicht aus ihrem Kopf zu vertreiben; es wollte einfach nicht verschwinden.
Während sie die zahlreichen Unterröcke anzog, die den Rock des Kleides aufbauschen würden, freute sie sich, dass ihre alte Prophezeiung für Joseph Bloom endlich wahr geworden war. Vor seiner Abreise hatte er ihr den Grund für seine Abwesenheit anvertraut.
»Ich fahre nach Sydney Town, um zu heiraten. Bestimmt haben Sie die Gerüchte in Ironbark gehört. Dass es eine Zweckehe ist, dass meine Braut kein Englisch spricht und ein großes Vermögen mit in die Ehe bringt.« Er zuckte nachsichtig die Achseln. »Wahr ist, dass Rivka meine Cousine und alles andere als reich ist. Ihre Mitgift besteht einzig und allein aus ihrem geliebten
Pianoforte. Wir waren als Jugendliche ineinander verliebt, damals wohnten wir in Frankfurt am Main.«
»Wie romantisch!«, hatte Keziah ausgerufen.
»Nicht in den Augen meines Onkels. Er hielt New South Wales für das Sodom und Gomorra des Südpazifiks und verweigerte seine Zustimmung mit dem Hinweis auf ein altes Sprichwort: »›Wer Frankfurt verlässt, verliert seine Seele.‹ In seinen Augen bin ich ein gefährlicher Radikaler, Mrs. Browne. Ausgerechnet ich.«
»Und wieso hat er seine Meinung geändert?«, wollte Keziah wissen.
Joseph Blooms Augen funkelten. »Hat er gar nicht! Rivkas Mutter hat sie auf ein Schiff nach Port Jackson geschmuggelt und ihre Überfahrt bezahlt. Ich muss sie nur noch abholen.«
Keziah lächelte, als sie daran dachte, wie sie beide gelacht hatten. Dann erinnerte sie sich an seinen Plan, in Sydney Town eine Kanzlei zu eröffnen, und wurde wieder ernst.
Für einen Augenblick sah sie erneut den Gerichtssaal und Joseph mit Richterperücke vor sich. Strafrecht – es ging um Mord! Sie spürte, wie die Realität dieser Vorahnung immer näher rückte und wie Jake im Mittelpunkt stand. Sie versuchte, die Vision zu verdrängen, entschlossen, den Augenblick zu genießen. Heute Abend würde Joseph seinen Freunden in Ironbark Rivka
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