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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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putzte, betrachtete Keziah sein Gesicht. Die blutrote Sonne war längst hinter den Hügeln versunken, und am Himmel braute sich ein Gewitter zusammen. Der Mond hatte sich mit einem dunstigen Ring umgeben. Der morgige Tag würde Regen bringen und was noch?
    Als die Kinder außer Hörweite waren, flüsterte sie: »Ich habe geglaubt, dass du den Kerl tatsächlich erschießen würdest.«
    Er schaute ihr geradewegs in die Augen. »Ich hätte es tun sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte.«
    Vor Keziah blitzten ein paar Symbole aus ihrem ständig wiederkehrenden Albtraum auf: Blut, Feuer, Jakes Gesicht hinter Gefängnisgittern. Sie musste alles Menschenmögliche tun, um ihn abzulenken.
    Sie flüsterte den Kindern etwas zu, die daraufhin zum vardo rannten. Kurz darauf kehrten sie kichernd zurück, Pearl trug Keziahs Unterrock wie ein Kleid und hatte sich ihren Schal um den Kopf gewickelt. Gabriel verschwand beinahe unter Jakes Hut und Weste, während er seinen großtuerischen Schlendergang nachäffte.
    Gabriel stimmte The Wild Colonial Boy an, während Pearl ihn auf einem Grashalm begleitete. Jake klatschte begeistert Beifall und verlangte nach einer Zugabe.
    Jetzt war Keziah dran. Gabriel spielte für sie. Und während sie für Jake tanzte, vertrieb sie mit der Musik, ihrer Lebendigkeit und dem Lachen ihre Ängste vor der Zukunft. Es war mehr als ein verführerischer Tanz für Jake. Er musste lächeln, als sie stolz ihren wachsenden Bauch zur Schau stellte, in der Gewissheit, dass er seine Bewunderung nicht im Geringsten abschwächte.
    Von der Kraft ihrer wilden, ungezähmten Roma-Musik fortgetragen, hätte sie die ganze Nacht so tanzen können, doch Jake übernahm das Kommando. Zuerst brachte er die Kinder im vardo
zu Bett, dann legte er den Arm um Keziah und führte sie sanft, aber entschieden zu ihrem Schlafplatz unter den Sternen.
    »Es ist schon spät, Kez. Morgen haben wir einen langen Weg vor uns.«
    Keziah hatte ihren Kopf auf Jakes Brust gelegt und lächelte verträumt zu den Sternen empor.
    »Danke, Jake, dass du mir deine Milchstraße gezeigt hast«, murmelte sie schläfrig. »Das werde ich dir niemals vergessen.«
    »Nicht der Rede wert, Liebling.«

    Beim Geräusch donnernder Hufe schreckte sie auf. Als sie die verhassten blauen Uniformen von vier berittenen Troopern sah, erstarrte sie. Ihre Messingknöpfe funkelten in der Sonne. Sie ritten geradewegs auf das Lagerfeuer zu, wo Jake Tee kochte.
    »Sind Sie Jakob Isaac Andersen?«, schnauzte ein junger Sergeant mit scharfem, englischem Akzent ihn an.
    »Ja. Und Sie?«
    »Kraft der Gewalt, die mir Seine Exzellenz Gouverneur Gipps erteilt hat, nehme ich Sie, Jakob Andersen, wegen des Verdachtes fest, Buschräubern Unterschlupf gewährt zu haben.«
    »Jesses«, entgegnete Jake. »Sie machen wohl Witze. Wir haben seit Wochen keine Seele gesehen.«
    »Sie kommen jetzt mit nach Berrima, bis Sie dort vor Gericht gestellt werden.«
    »Das will ich sehen!« Jake ballte die Hände zu Fäusten. »Ich werde meine Frau und die Kinder nicht allein lassen.«
    Einer der Trooper steckte das Bajonett auf sein Gewehr. Und als Keziah sah, wie die drei anderen auf Jake zugingen, um ihn zu fesseln, rannte sie schreiend auf ihn zu. Die Kinder trommelten mit ihren Fäusten auf die Beine der Trooper ein. Und als Pearl ihre Zähne in das Bein des Sergeants bohrte und dieser reflexartig das Bein zurückzog, flog sie durch die Luft.
    Jetzt geriet Jake in Wut. »Lassen Sie meine Tochter in Ruhe, Sie verdammtes Schwein!«

    Es bedurfte aller vier Trooper, um Jake niederzuringen. Sie schlugen ihm ins Gesicht und in den Magen, schließlich fesselten sie ihn und banden ihn mit einem Seil an ein Pferd, sodass er hinter ihnen herlaufen musste.
    »Ich verspreche dir, dass ich zurückkomme«, rief Jake Keziah über die Schulter zu.
    Und noch während er diese verzweifelten Worte rief, stolperte er. Das Letzte, was Keziah von ihm sah, war, dass die galoppierenden Pferde ihn hinter sich herschleiften.
    Die Kinder schrien zu Tode erschrocken, und Keziah zog sie fest an sich.
    »Wenn wir Papa helfen wollen, dann müssen wir drei jetzt zusammenhalten! «
    Als in der Ferne der erste Donner zu hören war und es zu regnen begann, sammelten sie im Eiltempo sämtliche Sachen aus dem glitschigen Schlamm und warfen sie in den Pferdewagen. Keziah spannte Horatio vor den vardo und band die anderen Pferde hinten an. Auf dem Kutschbock ließ sie die Peitsche knallen, obwohl Horatio das nicht nötig

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