Die Blüte des Eukalyptus
Kopf in der vorgegebenen Haltung hielt.
»Ermüdet Sie die Haltung, Mrs. Hamberton?«
»Aber nein.«
Und dann schwieg sie für den Rest der Sitzung.
Ihre Fragen nach Keziah hatten Gefühle in Daniel geweckt, die er seit seiner Ankunft in Sydney Town unterdrückte. Jetzt stellte er fest, dass er an einen Wendepunkt gelangt war.
In Sydney Town habe ich meine technischen Kenntnisse der Malerei vertiefen können, aber auch gemerkt, dass ich falsche Freunde wie Dix nicht nötig habe. Jake, Keziah und Gabriel sind die einzige Familie, die ich je hatte. Sobald ich das Porträt beendet habe, werde ich dahin zurückkehren, wo ich hingehöre: zu meinen wahren Freunden nach Ironbark.
VIERUNDVIERZIG
W ährend ihr vardo weitab von den Grenzzäunen der Siedlungen durch das dichte Buschland rollte, war Keziah von tiefer innerer Zufriedenheit erfüllt. Jake hielt nicht viel von Landkarten, trotzdem wusste sie, dass sie sich jenseits der offiziell »festgelegten Grenzen« der von Kolonialherren besiedelten neunzehn Countys von New South Wales befanden. Die lange Dürre war endlich zu Ende gegangen, und das Grasland färbte sich allmählich grün.
Es war ein Segen, dass ihre beiden Kinder glücklich und gesund waren. Gabriels strohblonder Wuschelkopf kontrastierte mit seiner sonnengebräunten Haut. Das blasse kleine Mädchen aus dem Kloster gewöhnte sich allmählich an seine neue Familie und wurde zutraulicher. In einem Kleid, aus dem es jetzt fast schon herausgewachsen war, und mit vom Wind zerzaustem braunem Haar starrte es unentwegt seinen einzigen Helden an, Jake.
Der Mann, der ihrer aller Leben bestimmte, war noch nie so entspannt gewesen. Gelegentlich warf er einen verstohlenen Blick auf Keziahs Bauch und schüttelte lächelnd den Kopf, als könne er sein Glück immer noch nicht fassen. Nach der Frühgeburt des kleinen Mädchens hatte sein Zwillingsbruder es geschafft, sich im Bauch seiner Mutter festzuklammern und dort weiterzuwachsen.
Weitab von der Zivilisation schlugen sie ihr Lager an einem von englischen Trauerweiden gesäumten Flussufer auf. Bestimmt hatte irgendein Siedler sie gepflanzt, der Heimweh hatte. Die Herrin des dazugehörigen Hofs war die erste weiße Frau, die sie seit Wochen zu sehen bekamen. Obwohl sie die kleine Familie herzlich begrüßte, war Keziah auf der Hut.
»Nennen Sie mich einfach Mary«, erklärte die Frau. »Schön, wieder mal die Gesellschaft einer Frau zu haben. Mein Mann ist geschäftlich unterwegs.« Dann wandte sie sich an Jake. »Tut mir leid, aber ich habe kein Geld, um jemanden einzustellen.«
»Was ist schon Geld?« Jake machte sich unaufgefordert daran, Holz zu hacken, und behandelte anschließend die geschwollene Fessel ihrer braunen Stute mit Keziahs Kräutern.
Zum Dank lud Mary sie zu einem großzügigen Abendmahl mit Kuchen für die Kinder ein. Nach Einbruch der Dunkelheit galoppierte Jake fröhlich mit Gabriel auf den Schultern und Pearl wie ein Koalabärchen auf dem Rücken zu ihrem vardo zurück.
Nun hatte Keziah Zeit, Marys Wunsch nachzukommen und ihr die Karten zu legen. Ihre Vergangenheit war sonnenklar, ihre Zukunft jedoch auf seltsame Art zerstückelt.
»Wird mein Mann bald zurückkommen?«, fragte Mary ängstlich.
Keziah ahnte die Wahrheit. Sie lügt. Sie versteckt sich vor ihm. Sie hat uns nicht einmal ihren Familiennamen verraten. Also wählte sie ihre Worte vorsichtig aus.
»Ihr Mann sucht etwas. Etwas, das er verloren hat.«
Marys Hand fuhr zum Mund. »Ach, du liebe Güte! Und weiter? «
»Haben Sie keine Angst, Mary. Die Karten können einem verraten, womit zu rechnen ist, aber die Zukunft ist keineswegs in Stein gemeißelt. Es gibt immer so etwas wie einen freien Willen.«
»Sagen Sie mir die Wahrheit«, erklärte Mary. »Werde ich jemals Kinder haben?«
Keziah zögerte. Alles, was Mary von ihrer Jugend blieb, waren ihre zärtlichen braunen Augen und ein Lächeln, das sie unterdrückte, um ihre Zahnlücke zu verbergen. Bald wäre sie zu alt, um Kinder zu bekommen.
Keziah teilte die Karten aus, die ihr halfen, die Flut von Bildern in ihrem Kopf zu interpretieren. »Ihr Mann ist auf seine Art sehr attraktiv«, sagte sie taktvoll. »Obwohl er nicht in die Kolonie
kommen wollte, hat er sich hier etwas aufbauen können. Er ist gesund, trotzdem kann ich in Ihrer Zukunft keine Kinder erkennen, tut mir leid.«
Als sie die Karten neu austeilte, stand der Magier auf dem Kopf. Es war eine Konstellation, die auf den Missbrauch von Macht zum Zwecke der
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