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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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stand er auf, als er sie sah. Keziah kam über den Hof auf ihn zu, und er erkannte in ihren Augen denselben lustlosen Blick, den er gehabt hatte, als er noch in Gideon Park gewesen war.
    Er beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen, und steckte ihr verstohlen Jakes tintenfleckigen Brief zu.
    »Der Kuss ist von Jake. Den Brief musste ich reinschmuggeln. Wäre nicht besonders gut, wenn ein Wärter die Lust zwischen den Zeilen lesen würde. Du weißt ja, wie Jake ist!«

    Keziah erstarrte und zog ihr Gesicht zurück, sodass der Kuss an ihrer Wange abglitt.
    Jakes Ängste sind berechtigt. Sie wirkt so, als hätte sie jede Hoffnung fahren lassen.

    Als Daniel verzweifelt versuchte, sie aufzuheitern, hörte Keziah zu, empfand aber nur ein vertrautes Gefühl der Leere, das sie Tag und Nacht begleitete.
    Sie bemerkte, dass Daniel sich das Haar wachsen ließ und seine blasse englische Haut etwas Farbe bekommen hatte. Er hatte bei jedem Besuch ein bisschen mehr Ähnlichkeit mit einem Einheimischen.
    Plötzlich wurde sie des Briefes gewahr, den er ihr gegeben hatte, und seine Worte hallten durch ihren Kopf. »Du weißt ja, wie Jake ist!«
    Daniel wartete einen Augenblick, dann sagte er: »Die Kinder reiten auf dem Pony in die Schule. Gabriel hat sich selbst beigebracht, wie man The Wild Colonial Boy auf der Geige spielt. Pearls neue Brille hat ihr eine vollkommen neue Welt eröffnet. Diese rote Rose hat sie im Garten für dich gepflückt und dann gepresst, weil sie weiß, dass Rot deine Lieblingsfarbe ist.«
    Keziah warf einen Blick auf die Rose. Sie wusste, dass sie etwas sagen musste, fand jedoch keine Worte. Stattdessen verschlang sie den Käse und das Obst, das er ihr mitgebracht hatte, erleichtert, dass sie nichts erklären musste. Daniel wusste, dass sie diese Luxusgüter sofort aufessen musste, wollte sie nicht, dass ihre Mithäftlinge sie ihr wegnahmen. Bei jedem seiner Besuche beobachtete sie, wie viel Mühe er sich gab, vor ihr zu verstecken, dass sie immer weniger menschlich wirkte. Sie wich dem Schmerz in seinen Augen aus.
    Ich weiß, was er denkt. Dass ich wie ein gieriges Tier bin. Aber das ist mir egal. Hauptsache, ich habe genug Milch, um meinem Kind die Brust zu geben .
    Als Daniel die Neuigkeiten ausgingen und er zu stottern begann,
fragte er, ob er sie zeichnen dürfte. Sie versuchte nicht daran zu denken, wie er mit seinem künstlerischen Auge jedes Detail ihres Verfalls auf das Papier bannen würde. Die vom Brand versengte Haarsträhne war nachgewachsen, aber ihre Häftlingskleidung aus ungebleichter Baumwolle war fadenscheinig, und sie wusste, dass sie dunkle Ringe unter den Augen hatte. Daniel war es peinlich, sie in diesem ausgemergelten und heruntergekommenen Zustand zu malen, das ahnte sie, aber er musste die Wahrheit festhalten.
    »Schon gut, es macht mir nichts aus«, sagte sie. »Du bist deiner Geliebten verpflichtet.«
    »Ach ja, der Kunst.« Offensichtlich verwundert über ihr Verständnis, versuchte Daniel sie abzulenken. »Letzte Woche hatte Jake schon wieder in Terence Ogdens Stall zu tun. Habe ich dir erzählt, dass Ogden aus dem Häuschen war, als er nach seiner Rückkehr aus Cornwall erfuhr, dass sein Verwalter sich geweigert hatte, Jungs von hier Arbeit zu geben? Jetzt überschüttet er Jake mit Aufträgen, um ihn für die Lohnausfälle zu entschädigen. Als neulich eine der Stuten ein Fohlen mit einem lahmen Bein warf, nahm Jake das Fohlen statt Geld. Ich soll dir sagen, dass er deine magischen Kräfte brauchen wird, um die kleine Stute zu heilen.«
    Als Daniel das lahme Fohlen erwähnte, schien Keziahs Interesse kurz aufzuflackern.
    Daniel senkte die Stimme. »Du weißt doch, wie gern Jake dich sehen würde, oder? Er arbeitet wie wahnsinnig an deiner Entlassung, sammelt Unterschriften für seine Petition, korrespondiert ständig mit Joseph in Sydney, hängt im Büro des Richters herum. Als Nächstes will er Mrs. Hamberton für deine Freilassung gewinnen.«
    »Kommt nicht infrage!«, schrie Keziah ihn wütend an.
    Daniel sah sie fassungslos an, fuhr aber fort: »Ich muss Jake andauernd daran erinnern, dass er diese Fassade des Anstands wahren muss und dass ich dein Mann bin.« Er lachte viel sagend. »Falls man mich überhaupt anständig nennen kann.«

    »Du bist ein echter Freund!« Die heisere Stimme, mit der sie für ihn Partei ergriff, erstaunte ihn.
    »Ich bin es, der dir für seine Freiheit danken muss, Keziah. Ich werde alles Menschenmögliche tun, um mich zu revanchieren,

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