Die Blüte des Eukalyptus
weiteres Mal ausgepeitscht werden sollte, getürmt, sodass der Aufseher sein Gesicht verloren hatte. Der Schwadroneur war erneut auf der Flucht.
Die Kunst war Daniels heimliche Rettung. Sonntagnachmittage wie dieser waren seine Oase in der Woche.
In seinem Versteck hinter dem Geräteschuppen war er tief in ein Porträt des Aufsehers versunken, als ihn das Wiehern eines Pferdes in die Wirklichkeit zurückholte.
Von seinem Sattel aus musterte ihn der Teufel in Person. Er strich sich über den schwarzen Bart und machte ihm ein Zeichen: »Her damit!«
Daniel wäre am liebsten weggelaufen. »Ich habe es nicht böse gemeint, Sir.«
Die lüsternen Mundwinkel kräuselten sich in widerstrebender Anerkennung. »Nicht schlecht. Aber warum ich? Wollte sich kein hübsches Mädchen für dich ausziehen?«
»Ich male lieber Männer. Markante Gesichter sind eine größere Herausforderung als weiche.«
»Du liebst also die Herausforderung, wie?«
Daniel zögerte ängstlich, er kannte die Regeln dieses neuen Spiels nicht.
»Zeichne es zu Ende und bring es meiner Frau. Wenn es ihr gefällt, besorge ich dir neues Zeichenmaterial.«
Daniel bedankte sich stotternd und sah, wie der Teufel in Person davonritt. Er hatte das Gefühl, dass sich eine Tür für seine Zukunft geöffnet hatte. Sein eigentliches Ziel aber war Julian
Jonstone, der als Kunstmäzen galt und Anfang des kommenden Jahres zurückkehren sollte.
Eine Woche später stand Daniel vor der weiß gestrichenen Hütte des Aufsehers. Im Fenster sah er sein Spiegelbild, hager, mit dunklen Ringen um die Augen. Doch das war egal, nur diese wichtige Prüfung zählte. Er durfte nicht versagen.
Eine Frau öffnete ihm die Tür. Er vermutete, dass sie jünger war, als es die Falten um den Mund nahelegten. Ihre ganze Erscheinung war blass wie von der Sonne ausgebleichte Wäsche. Sie war mit dem Mann verheiratet, der Daniels Schicksal in den Händen hielt.
Daniel verbeugte sich. »Ma’am? Ihr Mann sagte, ich solle Ihnen das Porträt bringen, wenn es fertig ist.«
Sie musterte es ausdruckslos. »Er ist nach Sydney Town geritten, um neue Strafgefangene abzuholen.«
Daniel überkam ein Gefühl tiefer Verzweiflung. Er würde nie neues Malmaterial bekommen.
Die Frau des Teufels zeigte auf eine Bank. »Du hast doch bestimmt nichts gegen eine Tasse Tee, oder?«
Als sie mit einem Tablett zurückkehrte, stockte ihm der Atem. Das Brot war noch so warm, dass die Butter schmolz und wie Gold glänzte. Neben der Teekanne stand ein Schälchen mit Himbeermarmelade. Und ein Stück Weihnachtskuchen. Was für ein Luxus!
»Sonntag«, sagte sie. »Der Friede sei mit dir.«
»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Ma’am.« Daniel konnte seinen Hunger nicht verhehlen. Genüsslich schloss er die Augen, als er in das mit Marmelade bestrichene Brot biss.
»Mein Mann sagte, ich soll dir das hier geben.« Sie warf ihm einen Blick zu, den er nicht deuten konnte, und reichte ihm eine Rolle Papier und Stifte.
Daniel strich über das Zeichenpapier. »Würde er wollen, dass ich Sie zeichne?«
»Du solltest alles tun, was dir das Wohlwollen des Masters sichert. Seine kleine Victoria gäbe ein hübsches Modell ab. Viel Glück, Daniel Browne.«
An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Du hast es nicht verdient, hier zu sein, mein Junge.«
Überrascht wich Daniel dem Mitleid in ihren Augen aus. Sie hatte gut reden. Sie war als Freie gekommen.
In den Tagen nach Weihnachten suchte Daniel nach irgendeinem Zeichen dafür, dass der Teufel in Person mit seinem Porträt zufrieden war. Er wartete vergebens, bemerkte aber, dass sich die Gewichtung ihres Verhältnisses leicht verschoben hatte.
Bildete er sich ein, dass der Aufseher ihn mit anderen Augen betrachtete, wenn er ihn aus der Ferne beobachtete, so, als wäre er auf der Hut? Warum tat er das? Sah er seine Macht infrage gestellt, weil Daniel gelernt hatte, seiner Grausamkeit mithilfe der Kunst zu entfliehen?
Der Klang der Triangel rief die Gefangenen zu einer weiteren Auspeitschung. Diesmal war es ein zwölfjähriger Junge, der erst vor zwei Wochen nach Gideon Park eingeliefert worden war und jetzt an einen Baum gefesselt wartete. Die älteren Männer johlten verächtlich. Noch ehe der erste Hieb seinen Rücken zerfetzt hatte, rann ihm der Urin an den Beinen herab.
Der Aufseher beachtete den Jungen kaum, seine ganze Aufmerksamkeit galt Daniel. Warum?
Es machte Daniel nervös, doch er ließ sich nichts anmerken, auch nicht, als er hörte, wie
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