Die Blüte des Eukalyptus
der jungen Mutter mit dem Kind in den Wagen half, war sich Keziah bewusst, dass Feagan und die beiden Witwen sie aufmerksam beobachteten. Auf der anderen Straßenseite standen der Betrunkene und die anderen Gäste vor dem Shanty with No Name, um besser sehen zu können.
Einer der Betrunkenen rief ihr zu: »Ich bezahl dich dafür, dass du mich um die Scheune jagst, wann immer du willst, Miss Lehrerin! «
»Nehmt euch bloß in Acht! Sonst könnt ihr was erleben, das ihr so schnell nicht vergesst!«, rief Keziah zurück.
Plötzlich erkannte sie, dass ein erstaunter Dr. Ross aus dem Freudenhaus getreten war und sie über den Rand seiner Brille hinweg anstarrte. Doch sie konnte ihren Zorn nicht mehr zurückhalten.
Sie griff nach den Zügeln und raste auf den Bürgersteig vor dem Shanty with No Name zu. Erst in letzter Sekunde drehte sie nach links ab, sodass die Männer aus dem Weg springen mussten. Dann donnerte sie über die Straße davon. Als sie sich umdrehte, sah sie zu ihrer Befriedigung durch die aufgewirbelte Staubwolke, wie die Männer mit offenem Mund dastanden.
Doch der nächste Gedanke war ernüchternd. Saranna hätte sich niemals so verhalten. Mi-duvel! Es ist verdammt schwer, eine Dame zu sein!
Zurück in Ironbark machte Keziah etwas zu essen für ihre hungrigen Gäste und konzentrierte sich darauf, eine Lösung für ihre Probleme zu finden.
Die Kleine hieß Nerida. Sie zeigte mit dem Finger auf sich selbst und das Kind und erklärte stolz, sie seien Wiradjuri.
Keziah gelang es, herauszufinden, dass Nerida fünfzehn war. Das Alter des Kindes war schwer zu schätzen, weil es extrem unterernährt war, aber es musste etwa achtzehn Monate alt sein.
Sein »weißer« Name lautete Murphy. Keziah erinnerte sich, dass der junge Buschräuber, der sich schützend vor Saranna gestellt hatte, den Einäugigen so genannt hatte. Sie lächelte beruhigend, während sie ihre Gäste zum Essen drängte.
»Wirst du dich hier wohlfühlen?« Sie zeigte auf das Strohlager, das sie neben dem Kamin für sie errichtet hatte, woraufhin Nerida die Hütte verließ. Keziah beobachtete, wie sie in einiger Entfernung ein kleines Feuer entfachte und sich daneben legte. Instinktiv nahm Keziah ihre Bettdecke und ging nach draußen. Unsicher, ob sie sie vielleicht kränkte, breitete sie sie neben Nerida aus und streckte sich darauf aus.
»Darf ich? Als kleines Kind habe ich oft unter den Sternen geschlafen. «
Nerida nickte, während sie den kleinen Murphy wiegte und ihm in ihrer Sprache leise vorsang. Keziah fiel auf, dass Nerida an der Hand keinen rosigen Stumpf am kleinen Finger hatte wie die anderen Eingeborenen, die sie in Sydney Town gesehen hatte. Sie fragte sich, was dieser Brauch bedeutete, da die Roma aber großen Respekt vor der Privatsphäre anderer hatten, wagte sie nicht, danach zu fragen. Wenn Nerida es ihr sagen wollte, würde sie es zu gegebener Zeit schon tun.
Als Keziah ihre Gebete flüsterte, leuchtete die Venus wie eine helle Kerze am fernen Himmel.
»Schick Gem meine Liebe.« Dann setzte sie aus einem Impuls heraus hinzu: »Und mach, dass Jake Andersen wieder gesund wird. Du weißt ja, wie Männer sind. Jake ist ein Mann der Tat. Er wird nie glücklich sein, wenn er nicht reiten und kämpfen kann.«
Als Keziah am nächsten Morgen aufwachte, hatte Nerida bereits im Bach gebadet und Beeren und Grassamen gesammelt. Sie wirkte ruhig, ihre schwarzen Augen strahlten. Nerida war zwar anfangs noch sehr einsilbig, verstand aber ausgezeichnet Englisch. Als Keziah sie dafür etwas unbeholfen lobte, war Nerida um eine prompte Antwort nicht verlegen.
»Ich kann alles, Wiradjuri, ’ne Menge Gundungarra, Nguawal, bisschen Dahrug. Auch Kamilaroi. Irisch ist komisch. Englisch ist nicht so schwer, nur zu viele verdammte Flüche.«
Keziah lachte zustimmend. »Ich würde sehr gern ein paar Worte in deiner Sprache lernen, sie klingt wie Musik.«
In den folgenden Tagen gingen sie zusammen spazieren und baden, und Nerida zeigte ihr, wie man im Busch Nahrung fand. Auch ohne viele Worte fühlten sie sich wohl miteinander.
Keziah wusste, dass sie wegen der Angst und Feindseligkeit, mit der die Bewohner Ironbarks auf Eingeborene reagierten, Neridas Anstellung offiziell machen musste. Joseph Bloom hielt sich in Goulburn auf, um an einem jüdischen Fest teilzunehmen, und George Hobson war zu einem Richter gefahren, um die Zuweisung weiterer Strafgefangener für seine Farm zu beantragen. Der Grund für Gilbert Evans’ Abwesenheit
Weitere Kostenlose Bücher