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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
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können.
    »Fort von mir.« Bong. »Fort von mir.«
    Ich stimmte die Bewegungen meiner Zunge auf die Pausen ab, in denen er nicht auf den Eimer schlug.
    Um uns herum schnappten die Menschen nach Luft. Ich konnte sie hören. »Ein Aussätziger! Ein Aussätziger!« Ich hörte, wie Menschen vor uns davonliefen. Mein Herr hörte auf, auf den Eimer zu schlagen, und ich leckte ein weiteres Mal über die Innenseite des Eimers.
    »Fort von mir.« Bong.
    Er hätte beinahe meine Nase getroffen.
    »Fort von mir.« Bong. »Fort von mir.«
    »Bleib stehen!«
    Endlich hörte mein Herr auf, gegen den Eimer zu schlagen. Ich steckte meinen Kopf hinein und leckte so viel Sahne auf, wie ich nur konnte.
    Mein Herr hatte sich der Stimme zugewandt. »Fort von mir! Ich warne Euch.«
    »Nimm die Kapuze ab.«
    »Ich bitte Euch – bitte –, erspart Euch diesen furchtbaren Anblick.«
    »Wenn du wirklich ein Aussätziger bist, dann zeig dich.«
    Mein Herr beugte sich zu dem Mann, und ich konnte den Eimer nun ganz erreichen. Ich kippte ihn mit der Pfote in meine Richtung.
    »Halt!« Mein Herr umklammerte mich nun noch fester. »Ich bin ein Aussätziger. Kommt nicht näher. Seht doch …«
    Mein Herr ließ die Kelle fallen, griff nach meinem Bein und zog meinen Fuß durch seinen Ärmel. Dann packte er meine Pfote mit der anderen Hand und hielt sie in die Sonne. Ich winselte kaum, obwohl ich fast keine Haare auf der Pfote hatte. Ich hatte die Wunden beinahe sauber geleckt, und sie begannen bereits, sich zu schließen, dennoch sonderten sie immer noch eine übelriechende Flüssigkeit ab.
    »Mon dieu!« Jemand würgte. Es war nicht der Mann gewesen.
    Ich hörte auf, den Eimer auszulecken, als ich es hörte.
    Mein Herr presste mich noch fester an sich.
    Ich leckte weiter die Sahne aus dem Eimer.
    »Fort von mir!«
    »Ist hier vor kurzem ein Mann vorbeigekommen?«
    »Ich habe niemanden gesehen.«
    »Wenn du jemanden siehst … einen Mann. Ziemlich groß … mit einem Hund …«
    »Dann sage ich ihm, dass er sich von mir fernhalten soll!« Mein Herr schlug mit dem Knie gegen den Eimer.
    Ich hörte, wie Stiefel über den Boden scharrten, als sich die Männer von uns abwandten.
    Doch sobald sie verschwunden waren, hörte ich andere Stimmen. »Verschwinde, Aussätziger. Verschwinde!« Obwohl mein Herr sich beeilte, die Stimmen hinter sich zu lassen, verfolgten sie uns. »Wenn sie nicht bald aufhören, Steine nach uns zu werfen, chiot, dann werde ich es ihnen gleichtun. Und das kann tödlich enden.«
    Nach einiger Zeit wurden die Geräusche der Schritte und die Stimmen leiser. Und bald darauf verstummten sie ganz. Mein Magen war voll, und das Fett der Sahne hatte sich um meinen Rachen gelegt. Mein Herr richtete sich auf und nahm seinen üblichen Gang wieder auf. Ich schlief zum Rhythmus seiner Schritte ein. Ich träumte von Sahne und einem Feuer. Und einer Hand, die mein Fell streichelte. Moncher, Moncher, Moncher.

Kapitel 33
    Lisette Lefort
    Château Eronville
Provinz Orléanais, Frankreich
    L eider löste mein Beschluss, dem Kind keinen Schaden zufügen zu wollen, meine Probleme nicht. Der Graf war mittlerweile vor Verzweiflung verrückt geworden. Seine Forderung bewies genau das. Wenn ich das Kind nicht töten wollte, dann musste ich stattdessen einen Weg finden, um ihn zu beschützen. Wenn es denn tatsächlich ein »er« werden würde.
    Und ich betete zu Gott, dass es ein Mädchen werden würde!
    Ich wäre am nächsten Tag in die Kapelle gegangen, um das »Gegrüßet seist du, Maria« endlos oft zu wiederholen, hätte die Marquise nicht kurz vor dem Abendessen aufgeschrien und sich eine Hand auf den Bauch gelegt. »Ich glaube … Ich bin mir ziemlich sicher … Ich denke, es geht los!« Sie sah mich mit einer Mischung aus Furcht und Erleichterung an. Mit der anderen Hand griff sie nach meinem Arm.
    Ich hoffte, dass die Geburt so lange wie möglich dauern würde, um meinem Vater die Gelegenheit zu geben, die Spitze doch noch zu liefern. Doch die Zeit blieb stehen, während die Marquise in den Wehen lag. Die Hebamme rieb ihren Bauch mit Salbe ein und flüsterte ihr beruhigende Worte zu. Als der Hahn am nächsten Morgen krähte, warteten wir noch immer. Irgendwann brachte uns ein Diener etwas zu essen und kam dann wieder, um die Reste mitzunehmen. Als die Vögel im Garten aufhörten zu singen und ein Wolf den Mond anheulte, begann ich, meine Wünsche zu überdenken.
    »Dauert es normalerweise immer so lange?«, flüsterte ich der Hebamme zu,

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