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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
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Schritte, die über die Pflastersteine näher kamen. Und kein Husten, das mir zeigte, dass Heilwich da war. Ich wartete noch einige Augenblicke und blieb im Regen stehen. Dann ging ich zur Vorderseite des Toilettenhäuschens und wusch meine Hände mit dem Wasser aus einem Eimer. Doch bevor ich in die Werkstatt zurückkehrte, beugte ich mich noch einmal zu dem Spalt hinunter und sagte noch einmal ihren Namen.
    »Heilwich?«
    »Ja.«
    »Du bist gekommen!«
    »Ist heute denn nicht Dienstag? Und komme ich denn nicht immer am Dienstag?«
    »Danke, dass du gekommen bist.«
    »Hier. Nimm das.« Sie hielt mir ein Stück Brot vor die Nase. Ich atmete einen Augenblick lang den feuchten Hefegeruch ein, dann richtete ich mich auf und nahm das Stück an mich.
    »Im Inneren befindet sich auch ein Ei.«
    »Danke!«
    »Du bist das dankbarste Mädchen, das ich jemals kennengelernt habe. Iss einfach.«
    »Das tue ich.« Das würde ich. Sobald ich das Ei entdeckt hatte. Ich untersuchte das Brot mit meinen Fingern und hielt es mir schließlich vors Gesicht, um es besser sehen zu können.
    »Lass dich ansehen.«
    Ich beugte mich ein weiteres Mal zu ihr und presste mein Gesicht gegen den Spalt.
    »Ich möchte mehr sehen als bloß dein Auge. Geh einen Schritt zurück.«
    »Aber dann kann ich dich nicht mehr sehen.« Und der Anblick ihres Gesichtes war eines der größten Geschenke für mich. Es machte ihre Worte lebendig. Und in den Tagen zwischen ihren Besuchen erinnerte ich mich sowohl an ihre Worte als auch an ihr Gesicht.
    »So eine Schande! Natürlich kannst du.«
    Ich erkannte einen Schatten, wo ich ihr Gesicht vermutete, doch ich konnte sie nicht wirklich sehen. Nicht, wenn ich einen Schritt zurück machte. Ich konnte die Einzelheiten nicht mehr erkennen.
    »Oder etwa nicht?«
    »Ich sehe, dass du da bist.«
    »Und welche Farbe haben meine Ärmel?«
    »Sie haben … die gleiche Farbe wie die Steine.« Wenn sie sich bewegte, dann konnte ich sie sehen.
    »Wie die Steine? So eine Schande, das haben sie nicht! Iss jetzt und lass mich einen Augenblick nachdenken.«
    Ich aß. Mit großem Appetit. Das letzte Ei, das ich gegessen hatte, war das eine gewesen, das sie mir eine Woche zuvor gebracht hatte. Während ihrer wöchentlichen geheimen Besuche hatte ich ihr immer wieder versichert, dass ich nichts haben wollte, da ich ja gerade erst gegessen hatte, doch in Wahrheit fand ich bald heraus, dass ich doch noch mehr essen konnte. Wenn sie das Bündel durch den Spalt schob, zog sich mein Magen stets vor Hunger zusammen.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass die Sache mit deinen Augen schlimmer geworden ist? Mach einen Schritt zurück und lass dich von der Seite ansehen.«
    Obwohl ich gerade aß, tat ich, was sie von mir verlangte.
    »Du siehst kleiner aus als beim letzten Mal. Stell dich gerade hin.«
    Ich hob die Schultern an und streckte meinen Rücken durch.
    »Ich meinte gerade. Wie eine Nadel.«
    »Das tue ich doch.«
    »Du bist so verkrüppelt wie ein Hirtenstab.«
    Tatsächlich? Aber ich stand doch so gerade da, wie ich nur konnte.
    »Komm her. Komm her zu mir. Geh mit dem Auge ganz nah an den Spalt.«
    Ich schluckte den letzten Bissen Ei hinunter und wischte den Dotter von meinen Fingerspitzen auf dem Brot ab. Dann brachte ich mein Gesicht an den Spalt.
    »Ich muss dich hier rausholen. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Ich habe letzten Monat mit der Mutter Oberin gesprochen, und seitdem habe ich wieder eine Münze gespart. Vielleicht klappt es dieses Mal …«
    »Nee!«
    »Du gehst so gebückt wie ein altes Weib … und du bist mittlerweile fast blind.«
    » Nee. Bitte. Sprich nicht mit ihnen. Sag nichts.«
    »Warum nicht? Ich habe jahrelang gespart, um dich auszulösen. Und nachdem ich jetzt wieder eine Münze mehr habe … Vielleicht reicht es ihr, wenn ich verspreche, den Rest nachzubringen …«
    »Tu das nicht. Bitte nicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil. Weil … ich gerade mit einer Spitze beschäftigt bin. Und ich muss sie zu Ende bringen. Ich muss sie zu Ende bringen.«
    »Wenn du sie nicht fertigstellst, dann werden sie ohne Zweifel jemanden finden, der das erledigt.«
    » Nee. Das werden sie nicht.«
    »Nicht du musst die Spitze fertigstellen. Das ist die Aufgabe des Klosters.«
    »Es ist meine Spitze.«
    »Also wirklich, Katharina. Der Käufer wird sich nicht für deinen Namen interessieren. Er wird ihn niemals erfahren.«
    »Aber …«
    »Wenn ich dich nicht hier raushole, dann werden sie dich

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