Die Blueten der Freiheit
während ich mich an ihr vorbeidrängte. »Du solltest in der Nacht einmal nach ihm sehen. Vielleicht braucht er etwas.«
»Und selbst wenn, wie sollte er es mir dann sagen?«
»Du musst ihn nur ansehen. Er wird es dir sagen. Mit seinen Augen.«
Sie grinste hämisch, bevor sie mir die Tür vor der Nase zuwarf.
Kapitel 10
Denis Boulanger
An der Grenze zwischen Frankreich und Flandern
D er Leutnant hatte gesagt, dass er mir noch einen Monat Zeit geben würde, doch ich hatte noch immer keine Spitze gefunden.
Einmal war ich jedoch ziemlich nahe dran gewesen. Ich hatte einen Mann aufgehalten, der die Grenze überqueren wollte. Mit seinen Augen stimmte etwas nicht. Es war die Art, wie sie von einer Seite zur anderen schnellten, wenn er sich umsah. Es hätten für ihn nur die Baracke, der Leutnant und ich von Bedeutung sein sollen, und daher erschien es mir seltsam, dass er so großes Interesse an den Vorgängen um ihn herum zu haben schien. Vor allem, da alle anderen vorgaben, sich nur für ihre Schuhspitzen zu interessieren.
Ich bat ihn, seinen Umhang abzunehmen.
Doch ich fand nichts.
Ich bat ihn, seinen Mantel auszuziehen.
Doch auch dort fand ich nichts.
Ich hätte es dabei belassen können, doch ich dachte mir, dass er es mir wohl gesagt hätte, wenn er nichts zu verbergen gehabt hätte.
Ich bat ihn, einen Blick in seinen Rucksack werfen zu dürfen. Im Inneren befanden sich ein Geldbeutel, ein Hemd und ein herrlicher Laib Brot. »Ist es gut?«
Er sah mich an. »Was?«
»Ist es gut? Es sieht ganz danach aus.«
»Es ist … sehr gut.«
Mein Vater war ein hervorragender Bäcker. Alle in Signy-sur-Vaux waren dieser Meinung. Es war nicht einfach, einen schönen Laib Brot zu backen. Deshalb war ich zur Armee gegangen.
Er hustete. »Darf ich jetzt gehen?«
»Wie bitte?«
»Seid Ihr fertig?«
War ich das? Ich glaubte nicht. »Kann ich etwas davon abbekommen?«
»Wovon?«
»Von deinem Brot.«
»Von meinem Brot.«
Selbst wenn er keine Spitze darin versteckte, verspürte ich das plötzliche Verlangen nach einem Stück Brot. Er war kein bettelarmer Bauer, und er hatte keine Kinder bei sich, die den Laib Brot hungrig beäugten. Ich dachte – ich hoffte –, dass er mir wohl einen Bissen davon abgeben könnte.
Er riss ein Stück ab und gab es mir.
Es war sehr gut. Ziemlich gut. Aber nicht so gut wie das Brot, das mein Vater machte. Ich bedeutete dem Mann, dass er sich wieder in die Reihe der Wartenden zurückbegeben konnte, und machte einen Schritt nach hinten, um die Menschen besser beobachten zu können.
An diesem und am nächsten und auch am übernächsten Tag fragte ich mich, ob ich nicht besser in Signy geblieben wäre. Es hatte Vorteile, ein Bäcker zu sein.
Es gab einen heißen Ofen, der das Haus warm hielt. Und genug Brot für die Kinder.
Wir waren zehn Kinder im Haus meines Vaters gewesen. Ein Wurf Brüder und Schwestern und auch noch einige Basen und Vettern. Meine Familie hatte sich am Fluss entlang von Signy-sur-Vaux über Signy-l’Abbaye und sogar bis nach Dommery ausgebreitet.
Warum war ich überhaupt fortgegangen?
Ich hätte Brot im Überfluss und ein Feuer haben können, das kaum jemals ausging … Obwohl es im Sommer, wenn die Flammen loderten, wohl eher der Hölle glich.
Mein Vater hatte nie verstanden, warum ich unzufrieden war. »Du willst der einzige Boulanger sein, der kein Brot bäckt?« Das hatte er mich gefragt, als ich ihm erklärt hatte, dass ich zur Armee gehen wollte.
Und so hatte ich ihm die Wahrheit gesagt. »Das ist nicht das, was ich machen möchte«, sagte ich. Im Winter störte mich das Feuer nicht. Und auch nicht im Herbst oder im Frühling. Ich mochte den Geruch, der von dem Brot aufstieg, und nicht einmal das Teigkneten machte mir etwas aus. Ich wollte bloß nicht als Bäcker bekannt werden.
Er hatte seine Hände in die Luft geworfen und dabei eine dünne Wolke Staub aufgewirbelt, der sich auf seinen Schultern absetzte, während er sprach. »Was hat das denn damit zu tun? Du bist ein Boulanger. Und wir Boulangers backen nun einmal Brot.«
Doch genau damit hatte es meiner Meinung nach zu tun. Darum war ich zur Armee gegangen. Als er sich erst einmal an den Gedanken gewöhnt hatte, gab mein Vater vor, es wäre seine Idee gewesen. Und als ich zum Grenzeinsatz berufen wurde, erzählte er allen in der Stadt, dass ich bald schon ein Vermögen machen würde, weil ich Schmuggler aufgriff.
Und das hätte ich auch getan. Wenn ich jemals einen von ihnen geschnappt
Weitere Kostenlose Bücher