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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
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schmiegte er sich im Osten gegen eine Biegung des Flusses Vaux. Signy-sur-Vaux befand sich im Nirgendwo. Es war der sprichwörtliche Fliegenschiss auf der Landkarte.
    Ein Fliegenschiss auf der Landkarte.
    Das war einer der liebsten Ausdrücke meines Vaters. Mein Vater, der in Signy-sur-Vaux lebte, in dem Dorf, aus dem ich stammte. In dem Dorf, in dem ich geboren wurde und in dem ich bis vor sechs Monaten gelebt hatte. Wie sollte ich meinem Vater erklären, dass ich wieder nach Hause geschickt worden war? Nachdem ich ein Jahr lang gebraucht hatte, um ihn davon zu überzeugen, dass ich seinen Beruf nicht ausüben wollte? Und nun musste ich ihm erklären, dass ich nicht gut genug war, um Soldat zu sein.
    Keine Vorstellungskraft?
    Der Leutnant lag falsch. Ich konnte mir durchaus vorstellen, was mein Vater sagen würde. Jedes Wort. Jede Geste. Jeden Blick.
    Signy-sur-Vaux.
    Der Leutnant hätte mich genauso gut ins Fegefeuer schicken können.
    Ich spuckte die Baracke an. Der Speichel landete auf einem der Bretter und rann zu Boden. Ich spuckte noch einmal. Dann wandte ich mich um und warf einen Blick auf die Grenze.
    Ich sah einen Bauern, der auf dem Weg nach Frankreich war. Schmuggelte er vielleicht Spitze? Er sah nicht so aus. Ich hörte ihn sprechen. Ich verstand nicht, was er sagte, dafür war ich zu weit entfernt. Doch ich hörte den Klang seiner Stimme. Kehlig. Er kam also aus Flandern. Und die Flamen schmuggelten keine Spitze nach Frankreich. Zumindest hatte der Leutnant das gesagt. Das taten nur die Franzosen.
    Es war alles so verwirrend. Warum taten die Menschen nicht einfach, was man ihnen sagte? Warum mussten sie lügen und betrügen und stehlen? Und Dinge schmuggeln? Was war falsch daran, die Gesetze des Königs zu befolgen?
    Der Wachtposten deutete auf eine Kiste, die auf dem Karren stand. Der Mann zuckte mit den Schultern. Dann sagte er etwas. Der Wachtposten kletterte auf den Karren und bedeutete dem Mann, die Kiste zu öffnen. Sobald der Haken geöffnet und der Deckel hochgeklappt war, begann die Wache, die Kiste auszuräumen. Ein Bündel Papiere. Ein Silberbecher. Ein Paket, das, wie sich herausstellte, mit Saatgut gefüllt war.
    Ein Geldbeutel.
    Der spanische Wachtposten nahm ihn an sich. Er löste das Band und leerte den Inhalt auf das Stroh, das auf dem Karren lag. Er starrte die Münzen an, die herausgefallen waren, bevor er eine an sich nahm.
    Zwei.
    Drei.
    Bastarde. Diese Spanier waren Bastarde. Die Flamen, die ich kennengelernt hatte, waren ziemlich nett gewesen, egal, was der Leutnant behauptete. Es war nicht ihre Schuld, dass sie von den Spaniern regiert wurden.
    Der Wachtposten sprang von dem Karren und ließ die drei Münzen in seinem eigenen Geldbeutel verschwinden. Es waren vermutlich französische Münzen, die in den Spanischen Niederlanden verboten waren, aber es waren Münzen, die ein Mann vielleicht brauchte, wenn er nach Frankreich reiste … wo wiederum spanische Münzen verboten waren.
    In welcher verrückten Welt wir doch lebten. Wie sollte jemand in Frankreich Geschäfte abwickeln, wenn er kein französisches Geld bei sich hatte?
    Ich spuckte erneut aus.
    Ich stieß mich von der Wand ab, als der Mann auf mich zukam und zur Baracke des Leutnants ging. Aus der Baracke heraus vernahm ich den Geruch von Hering und hörte, wie Brot geschnitten wurde. Ich wusste, dass der Mann wohl eine Weile würde warten müssen. Der Leutnant genoss gerade sein Frühstück.

Kapitel 18
    Der Hund
    Im ländlichen Flandern
    M ein Traum war wahr geworden. Mein Herr hatte mir die Schnauze zugebunden und mir die Spitze um den Körper gewickelt, und nun trug ich wieder Legrands Fell.
    Ich war beinahe wieder frei.
    »Lauf schnell, Chiant. Lauf so schnell du kannst.« Mein böser Herr öffnete die Tür vor mir und schob einen Fuß unter mein Hinterteil.
    Ich ließ mich darauf nieder.
    Dort draußen war etwas. Ich konnte es riechen. Etwas lauerte im Wald, gleich hinter dem Pfad.
    Mein Herr hob seinen Stiefel so plötzlich an und trat mich, so dass ich über die Türschwelle hinaus in den Schlamm fiel. Ich landete auf meiner Nase. »Lauf! Vas-y! «
    Ich machte einen zaghaften Schritt nach vorne. Dann blieb ich stehen. Streckte ein Ohr in die Höhe. Ich lauschte … und … ja. Genau dort. Bei dem großen Baum. Über die Rufe der Eulen hinweg hörte ich, wie jemand hustete. Ein Flüstern.
    »Worauf wartest du? Verschwinde!«
    Ich machte einen weiteren Schritt nach vorne. Streckte wieder ein Ohr in die Höhe. Ich

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