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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Nette Leute, trotz dem ganzen Stress. Er wählte die Nummer seines Büros.
    Gleich würde sich Beatrix melden, mit glockenheller Stimme und immer eifrig bemüht, alles richtig zu machen. Keine Ahnung würde sie haben, was sie erwartete. Und doch wusste sie viel zu viel. Sie hatte sich sicher Notizen gemacht, die sie lieber vergessen sollte. Sie hatte Kontaktpersonenkennengelernt, die ihr besser fremd geblieben wären. Und obwohl sie alles, fast alles zu seiner Zufriedenheit geregelt hatte, war es Zeit, sie zu entsorgen.
    «Praxis Dr.   Tillmann Erb, Beatrix Former am Apparat. Oh   … Sie sind es, Dr.   Erb. Ich habe jetzt erst auf das Display geschaut, entschuldigen Sie.» Sie kicherte kurz. «Gibt es Probleme? Ich habe meinem Mann schon gesagt: Rechne nicht damit, dass ich zum Abendessen zu Hause bin. Also, was kann ich für Sie tun?»
    «Sie können Ihre Papiere zusammensuchen und gehen.»
    «Wie bitte?»
    «Sie sind entlassen.»
    «Ist das ein Witz, Dr.   Erb?»
    «Nein, ich bin bei solchen Angelegenheiten immer völlig humorlos.»
    «Was für Angelegenheiten? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich irgendetwas   …» Ihre Stimme war verrutscht. Sie tat ihm leid. Aber das nutzte nichts.
    «Gestern Abend hat mich schon wieder diese impertinente Person von der Presse belästigt. Um elf Uhr! Ich wollte mich gerade hinlegen. Und ich weiß genau, dieser Journalistin habe ich niemals meine Handynummer gegeben. Nie im Leben. Aus gutem Grund.»
    «Wollen Sie damit sagen, dass Sie mir eine solche Indiskretion zutrauen? Dr.   Erb, Sie sollten mich wirklich besser kennen.»
    «Ich wüsste nicht, woher Katharina Zwolau sonst meine Privatnummer haben könnte.»
    «Ich doch auch nicht.» Beatrix atmete heftig. Er konnte sich vorstellen, wie sie gerade aussah, die Haare nach oben gesteckt, die Lippen rot geschminkt, die Wimpern akkurat getuscht und doch hässlich, weil der Schrecken über die Entlassung ihre Gesichtszüge entgleiten ließ. Zu Recht,denn seine Beschuldigung entbehrte jeder Grundlage. Die Gerichtsreporterin konnte seine Nummer sonst wo aufgegriffen haben, die Presseleute waren in so etwas ziemlich clever. Aber der Vorfall war ein ausgezeichneter Grund, eine ansonsten perfekt arbeitende Vorzimmerdame zu feuern.
    «Herr Dr.   Erb, Sie müssen mir glauben, ich gebe doch nicht einfach Ihre Handynummer raus!»
    «Es kommen aber nur Sie in Frage.»
    «Aber Sie können doch nicht einfach   … Was soll ich denn   … Ich habe doch immer   …»
    «Liebe Beatrix, keine Sorge, ich werde diesen Vorfall nicht in Ihrem Zeugnis erwähnen. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen eine grandiose Empfehlung aus, denn im Grunde genommen war ich auch einigermaßen zufrieden mit Ihrer Arbeit. Aber ein solcher Vertrauensbruch   … Sie müssen mich verstehen.»
    «Ich verstehe gar nichts mehr.»
    «Wenn ich heute Nachmittag wieder in Hannover bin, will ich Sie dort nicht mehr antreffen, haben wir uns verstanden?»
    Sie antwortete nicht gleich, sondern schluchzte erbärmlich in den Hörer. Wahrscheinlich rann das Schwarz ihrer Wimperntusche gerade unschön über das Rouge. Erb konnte sich noch genau daran erinnern, wie ihre Vorgängerin ausgesehen hatte, als sie von einem Tag auf den anderen arbeitslos geworden war. Schön war das nicht gewesen.
    «Ich habe mir doch extra den Wagen gekauft. Und die Kredite   … Dr.   Erb? Wie soll ich auf dem Arbeitsmarkt   … Ich bin doch schon über vierzig   …, wie soll ich denn   …»
    «Beatrix», sagte er mit möglichst weicher Stimme. «Bitte, regen Sie sich nicht so auf.»
    «Wie bitte? Nicht aufregen? Sie haben mich soeben rausgeworfen!»
    Ihre Stimmung schwenkte um, und Erb meinte, schon einen aggressiven Unterton zu hören. Es war Zeit, die zweite Runde seines Entlassungsgespräches einzuläuten. «Hören Sie, Beatrix, ich bin ja kein Unmensch. Und ich weiß schon, dass Sie durch diese Entwicklung in einen finanziellen Engpass geraten. Zwar müsste ich das nicht, nachdem, was Sie sich geleistet haben, aber ich biete Ihnen eine Abfindung an. Damit Sie nicht so ganz ohne dastehen.»
    Nach diesem Satz wurde das Schluchzen immer leiser, nun musste man nur noch langsam bis zehn zählen, bis die obligatorische Frage kam   … 8, 9, 10.
    «Und an wie viel   …», ein Räuspern, «an wie viel hatten Sie da gedacht, Dr.   Erb?»
    «Sechs Monatsgehälter, brutto. Daran gebunden sind, aber das muss ich Ihnen als Fachkraft ja eigentlich nicht erzählen, Diskretion und Loyalität

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