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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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ginge ihn das hier alles nichts an. «Brockelsen, sagen Sie, gibt es in den Dünen auch irgendwo Moos?»
    «Ich bin kein Botaniker.»
    «Da haben Sie recht. Wir können natürlich auch ein paar Spezialisten hier antanzen lassen. Aber ich dachte, Sie als Insulaner kennen sicher jeden Grashalm   …»
    Brockelsen murrte. Zwei Tote in zwei Tagen und nichts war wirklich geklärt, Wencke gestand ihm die schlechte Laune zu, ja, sie hatte sogar Verständnis. Aber keine Geduld. «Gibt es auf der Insel einen kleinen Teich, einen Tümpel   … irgendeine Wasserstelle?»
    «Hm, vielleicht im Wasserschutzgebiet. Da gibt es Brunnen. Aber die sind verschlossen. Sie waren ja schon dort, gestern mit Ihrem Kollegen bei der Suchaktion   …»
    «Ja, aber da haben wir nicht viel gefunden.» Wencke fasste in ihre Jackentasche. Wie gut, dass sich so viel Platz in dieser Jeansklamotte fand. Eigentlich war das Stück viel zu schade für die Altkleidersammlung, entschied sie spontan. Sie zog die Fundstücke der Dünenwanderung hervor: eine kaputte Brille, ein Kassenbon, die honiggelben, versandeten Bonbons   …
    «Na bitte!» Triumphierend verglich Wencke die Lutschpastillenmit denen aus Hucklers Tasche. «Eindeutig dieselbe Sorte. Ich glaub, ich spinne!» Die anderen Sachen legte sie auf den kleinen Tisch, der unter dem Dachfenster stand.
    «Passen Sie auf», motzte einer der Wittmunder Beamten, «da haben wir noch nicht alle Spuren genommen.» Wencke stellte die Ohren auf Durchzug. Gernot Huckler trug keine Brille, zudem sah das Ding so alt aus, dass es wohl kaum vor wenigen Tagen noch auf einer Nase gesessen haben konnte. Wencke strich den Kassenbon glatt. Er war vom Drogeriemarkt in der Dorfmitte. Nicht gerade ein Großeinkauf ist da getätigt worden: eine Reisezahnbürste, eine Colgate, ein Kamm. Was? Genau die Sachen, die man im verwaisten Pensionszimmer gefunden hatte   …
    «Mein Gott!», entfuhr es Wencke. «Axel, wir sind gestern direkt auf Hucklers Spuren gestoßen und haben nichts bemerkt.»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Das Moos und das Dünengras an der Jacke, die Bonbons, der Kassenbon, der wahrscheinlich herausgefallen ist, als Huckler sich ausgezogen hat – oder ausgezogen wurde   …»
    «Und?»
    «Er muss da gewesen sein.»
    «Wencke, falls du dich erinnerst, ich habe die ganze Zeit gerufen, und du auch. Sollte deine Theorie stimmen und Gernot Huckler war dort, dann   …», Axel stockte, «meine Güte, wenn ich das ausspreche, klingt es schon furchtbar lächerlich   …»
    «Vielleicht konnte er uns nicht hören.»
    «Da war aber weit und breit keine Hütte, kein Verschlag, und erst recht keine schalldicht isolierte Kabine!»
    «Und diese Brunnen?»
    «Die sind verschlossen, sagte ich doch bereits», mischte sich Brockelsen ein.
    «Kann man die Schlösser knacken?»
    Brockelsen stutzte. «Jetzt wo Sie es sagen   …»
    «Was?»
    «Wir hatten in den letzten Monaten dreimal Meldung vom Wasserwerk. Sachbeschädigung bei den Brunnendeckeln.»
    «Und? Haben Sie etwas herausgefunden?»
    «Nein, keine Spur von den Tätern. War ’ne unschöne Sache. Jedes Mal lag ein Tier da unten. Ein Fasan, ein Kaninchen, soweit ich mich erinnern kann auch mal eine Möwe. Das war komisch, stimmt. Die Tiere waren nämlich noch nicht tot, nur verwundet.»
    «Und warum haben Sie uns bislang noch nichts davon erzählt?», fauchte Wencke. «Immerhin haben wir erwähnt, dass Hanno Thedinga bereits wegen Tierquälerei aktenkundig ist.»
    «Ach wissen Sie   …» Jetzt geriet Brockelsen ins Schwitzen, auch wenn er durch seine Körperhaltung und seinen lockeren Tonfall noch immer eine gewisse Lässigkeit demonstrieren wollte. «Also wissen Sie, da habe ich jetzt echt keinen Zusammenhang vermutet. Dieser Kerl, dieser Hanno, mein Gott, er war eben kein echter Insulaner   …»
    «Keine weiteren Fragen», motzte Wencke. «Aber sorgen Sie dafür, dass eine ganze Mannschaft in die Dünen ausrückt. Sanitäter und Feuerwehr dabei. Immerhin hat es die ganze Nacht in Strömen geregnet, und der Mann, den wir suchen, sitzt vielleicht in einem Brunnen.»
    Bitte nicht, dachte Wencke. Nicht noch einmal zu spät sein. Bitte nicht!

35.
    Vine (Weinrebe)
    Botanischer Name: VITIS VINIFERA
    Die Blüte gegen Kompromisslosigkeit, Machthunger und Dominanz
     
    Tillmann Erb war schrecklich nervös. Wie lange dauerte das denn noch? Die Blondierte, die von allen Pal genannt wurde, legte den Hörer auf. «In frühestens neunzig Minuten ist er hier», teilte sie

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