Die Blume der Diener
Unter-Tafelmeister im Haushalt eines Lords eine Anstellung finden.«
»Als William?«
»Als William.«
Plötzlich wurde Lionel von blinder Wut ergriffen. »Wollt Ihr einen weiteren armen Kerl betören, damit sein Herz den Rosenpfad zur Verdammnis beschreitet?«, schrie er. »Selbst jetzt spielt Ihr noch den Jungen, weil Ihr glaubt, dass diese Gestalt meinem Blick am besten gefällt. Um Himmels willen, Lady Flower, wenn Ihr wahrlich eine Frau seid, dann kleidet Euch schicklicher. Ich dulde keine verdammten Hermaphroditen an meinem Hof.« Lionel rannte in sein Schlaf gemach und schlug die Tür hinter sich zu. Elinor blieb entsetzt und still hinter dem schützenden Stuhl zurück.
Die letzte Oktoberwoche brachte Hagel und tief hängende, drohende Wolken sowie eine bittere Kälte, die kaum vor der Wärme eines rauchenden Kaminfeuers zurückwich. Lady Brackton saß mit Alyson in ihrem Gemach; beide beschäftigten sich mit ihrer ewigen Stickerei. Manchmal zerknitterte ein Stirnrunzeln Lady Bracktons pausbäckiges Gesicht, wenn sie von ihrem Gobelin aufschaute und Alysons bleiche Wangen betrachtete. Dolly Whitlow, ihre Kammerzofe, hatte sich vor das Feuer gekauert und stickte mit rheumatischen Fingern ein juwelenbesetztes Band an einen Rock. Dabei berichtete sie die neuesten Neuigkeiten, die sie von Bess gehört hatte, als sie in der Wäscherei frisches Leinen holte.
»Sie sind ganz früh hereingeritten, Mylady, kurz nach Sonnenaufgang – ein ganzes Dutzend Lords und Grafen, die alle eine einzige böse Hexe bewacht haben. Sie muss schon ’n ganz schön durchtriebenes Luder sein, wenn sie so ’n Aufruhr verursacht.« Dolly drehte das Kammgarn auf ihrem Schoß und glättete das glitzernde Band nachdenklich. »Bess hatte gerade zusammen mit Joan bei der Tür zur Wäscherei die Laken gefaltet, als die Zauberin auf Armeslänge vorbeikam. Sie war mit dem Bauch nach unten an das Pferd gebunden. Bess sagt, sie hat ganz wild und wunderschön ausgesehen, trotz der Fesseln und all dem Dreck. Es heißt, sie wird innerhalb der nächsten zwei Wochen verbrannt.«
Alyson fädelte einen weißen Seidenfaden ein und nahm eine Lilie in Angriff. Wie diese alte Gans schnatterte! Wieso glaubte Dolly, dass es jemand wissen wollte, wie die Zauberin ausgesehen hatte oder wann sie verbrannt wurde?
Es klopfte heftig an der Tür. Alyson zuckte zusammen und stach sich in den Finger.
»Dolly, sieh nach, wer da klopft«, befahl Lady Brackton gelassen. Dolly grummelte ein wenig, stand auf und humpelte zu der schweren Eichentür. Alyson beobachtete, wie die alte Frau an dem Schnappriegel herumfingerte, und legte in plötzlicher Angst die Nadel nieder.
Lady Bracktons Stimme hob sich vor Unglauben. »Lady Flower?« Mit offenem Mund starrte Alyson die schlanke, in Wams und Pelz gekleidete Gestalt an, die zögernd auf der Türschwelle stand. Elinor verneigte sich ein wenig linkisch. Alyson drehte sich zum Fenster und betrachtete eingehend ihre Stickerei. Mit eiskalter Höflichkeit bat Lady Brackton ihre Besucherin, einzutreten und sich zu setzen, und bot ihr Wein an.
Elinor lehnte den Wein ab und schwieg dann, als wisse sie nicht, wie sie beginnen sollte. »Ihr fragt Euch sicherlich, was mich zu Euch führt, Lady Brackton.« Ihre Stimme klang sanft und beinahe scheu. Sie hielt den Kopf leicht geneigt. »Ich möchte Euch um einen Gefallen bitten. Nun, da ich wieder eine Frau bin, benötige ich Frauenkleidung.«
»Ich verstehe nicht, warum Ihr deswegen zu mir kommt, Lady Flower«, meinte Lady Brackton steif. »Es ist schon seit mehr als einer Woche bekannt, dass Ihr eine Frau seid. Wenn ihr einen Kittel oder einen Rock haben wolltet, hättet Ihr ihn Euch bestimmt schon lange besorgt.«
Elinor presste die Hände gegeneinander, als wolle sie sich beruhigen. »Lady Brackton, in der Küche und der Halle spricht man von Euch als einer christlichen Frau. Ich will Euch gestehen, dass ich dieses nutzlosen Mummenschanzes müde bin. Aber ich will niemanden um Hilfe bitten, der sie mit Freuden ablehnen könnte.« Sie schwieg kurz und fuhr dann fort: »Im Schloss von Cygnesbury gibt es keinen einzigen Mann, ob hoch, ob niedrig, der nicht durch mein Verhalten gekränkt wäre. Und es gibt keine Frau, die nicht entsetzt oder beleidigt wäre. Meine Schritte werden von Getuschel begleitet und man führt meine einfachsten Anordnungen mit scheelem Blick aus. Selbst als ich aus meinem Haus vertrieben wurde, war ich nicht so hilflos wie jetzt, denn damals konnte ich mir
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