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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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Beine.
    Margaret schrie vor Wut auf und bedeckte das Gesicht. Von allen Bildern des Grauens oder der schrecklichen Vorbedeutungen, die der Spiegel ihr zeigen konnte, hatte er dasjenige ausgewählt, das sie am wenigsten zu ertragen vermochte. Margaret hatte schon als Kind kaum den ewigen Lebensüberdruss ihrer Mutter verstanden oder sie deswegen zu bedauern vermocht, doch jetzt konnte sie es noch weniger. Sie streckte die Hand nach dem Schleier aus und wollte ihn bereits über das Gesicht ihrer Mutter werfen, doch dann senkte sie ihn langsam wieder und beobachtete ihre Mutter dabei, wie sie den schmutzigen Kittel mit großen, unregelmäßigen Strichen ausbesserte.
    Sie fragte sich, warum diese Frau sich nicht ein wenig aufraffte. Armut mochte eine Frau zwingen, ihre Kinder mit einer Hand voll getrockneter Erbsen und Kleie zu ernähren, aber sie zwingt sie nicht dazu, den Haferbrei anbrennen zu lassen oder das Brot ungleichmäßig zu backen. Die Frau eines Schmieds ist keine Zigeunerdirne oder Bettlersfrau, die nie auch nur einen kleinen Klumpen Seife für ihr Kleid und keine Hand voll Sand besitzt, um den Herdstein zu scheuern. Und doch hatte Margarets Mutter Tag für Tag bei ihrem stinkenden Feuer gesessen und ihr Schicksal bejammert.
    Margaret hörte beinahe das dünne Winseln, in dem ihre Mutter die verdrießliche Geschichte ihres geballten Kummers immer wieder erzählt hatte. Ihr Mann missbrauchte sie, ihre Kinder gaben nichts um sie, die Schmiede stand auf dem ärmsten Stück Land des ganzen Sprengels und wie sollte sie sich um die Kuh und die Hühner und den Garten und den Stall kümmern, wenn ihre sechs Kinder immer alles durcheinander brachten und ihre einzige Tochter eine eigensinnige Dirne war, die sich nicht die Hände schmutzig machen wollte?
    Zweimal zwanzig Jahre und der Tod trennten sie, doch die schattenhafte Frau sah von ihrer Handarbeit auf, als ob sie die Gegenwart ihrer Tochter spürte. Ihr Blick traf den von Margaret. Die Zauberin wich zurück und lächelte mitleidig. Sie streckte die Hand aus; dann zuckte sie zusammen und sah angstvoll zur Tür der Schmiede. Die Hunde und Kinder verkrochen sich in den Ecken. Eine breite, rußgeschwärzte Hand erschien hinter der schlecht gegerbten Türhaut und zog sie zur Seite.
    In krampfhafter Hast warf Margaret den Schleier über den Spiegel und machte ihn damit blind. Keine fehlgeleiteten Gefühle, kein nachklingendes Mitleid konnte sie dazu bewegen, freiwillig in das Gesicht ihres Vaters zu blicken. Er war schmutzig an Körper und Seele gewesen, eine Abfallgrube fauler Lüste, war vorschnell gewesen mit Faust und Stock. Sie wollte ihre Augen nicht mit seinem Anblick beschmutzen.
    Viele Wochen vergingen, bevor Margaret es wagte, erneut in den Spiegel zu schauen. In der Zwischenzeit las und schlief sie und staubte unnötigerweise die langen Bücherreihen in ihrem oberen Zimmer ab, bis sie schließlich die Langeweile dazu trieb, das Kerzenbündel zu entzünden und noch einmal den wasserdünnen Schleier fortzuziehen. Eine allmähliche Heilung war hier nicht empfehlenswert, dachte sie; die magische Wunde musste auf einen Streich geschlossen werden. Sie war eine Zauberin und der Spiegel ihr Werkzeug. Sie würde ihn dazu benutzen, die Zelle eines Magiers zu betreten, der in den Bergen an der nördlichen Grenze von Irridia hauste, weit jenseits des Meeres. Er band seine Dämonen in die Gestalt von Flammen; sein Hausgeist war ein Salamander.
    Der goldene Dunst zitterte und klarte auf. Einen Augenblick lang erkannte die triumphierende Margaret die scharfe Nase und die dachsbärtigen Wangen des Feuermeisters. Dann aber überlagerte ein zweites Antlitz das erste, so wie Öl sich im Wasser ausbreitet: Magister Lentus, der Zauberer des Turms, der große Meister der Schatten, der Margaret versprochen hatte, ihr die Kunst der Zauberei beizubringen.
    Liebevoll malte der Spiegel Lentus’ madenhafte Finger und seine larvenweiße Nase, seine runden, pockennarbigen und rosigen Wangen und seine Augen, die so glasig und flach wie die eines toten Fischs waren. Das Bild weitete sich und sie sah, wie Lentus vor der Schmiede ihres Vaters stand und dem kräftigen, rotwangigen Schmied kalt die Stirn bot. Das Gesicht ihres Vaters war verzerrt; sein Mund arbeitete, als ob er einen Fluch ausstoße. Er überragte Lentus um einen ganzen Kopf. Der Zauberer gab jedoch auf das Geschimpfe des Schmieds nicht mehr als auf das Bellen eines Köters. Das Abbild des Magiers lächelte und zeigte

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