Die Blume der Diener
Kurz danach wurde er von Trugbildern gefoltert, in denen Dämonen seinen Atem erstickten oder ihm wie Untiere mit dornigen Pfoten über die Haut krabbelten. Nach einiger Zeit fiel er in eine tiefe Ohnmacht, aus der er nur zum Ewigen Leben wieder erwachte.
Die Korridore von Cygnesbury hallten vom Wehklagen der Angesteckten wider. Man rief nach Fieber senkenden Mitteln und wollte zur Ader gelassen werden, damit die bösen Säfte abflössen. Mistress Rudyard, die als Hexenweib diente, wenn es die Situation erforderte, schleppte sich zwischen den Dienern herum und verabreichte Absude aus Honig und Minze, während der königliche Arzt seine Lanzetten und Schröpfgläser beim Adel schwang.
In der Küche schwankte Master Hardy zwischen der Angst, sich anzustecken, und der Angst, der Hof könne Hunger leiden, hin und her. Abwechselnd flehte er die schlaffen Köche an, sich mit dem Braten zu beeilen, und suchte dann deren Gesichter nach dem scharlachroten Zeichen des Fiebers ab. Die Angst um sich selbst und das Ausfallen seines eigenen Festessens ertrug Master Hardy mit aller Geduld, die er noch aufbringen konnte. Aber sein magerer Vorrat an dieser Tugend war bereits längst erschöpft, als Thomas Frith, der Page des Königs, sich gerötet und mit feuchter Stirn zeigte und dem König das Abendessen servieren wollte.
»Willst du unseren König umbringen?«, donnerte er. »Mach dich fort mit deinem roten Gesicht und deinem ansteckenden Schweiß. Ich will dich nicht sehen, bis es dir entweder wieder gut geht oder du auf dem Kirchhof gelandet bist. Der heilige Lues errette mich«, schrie er und hob die Hände zum Himmel. »Wo ist Sir Andrew?
Warum schickt er mir sterbende Knaben zum Auftragen des königlichen Abendessens? Gibt es denn hier keine Seele mehr, die wenigstens noch den Verstand eines toten Schellfischs hat? Wo, zum Teufel, steckt Master Flower?«
Diener schwärmten durch die Verwalterkammern wie Ratten auf der Suche nach Abfall. Jack Priddy stöberte den Tafelmeister schließlich in einer abgelegenen Speisekammer auf; seine Augen waren glasig, seine Wangen karmesinrot, und der Grund für sein Schwitzen lag in etwas Stärkerem als nur im übermäßig genossenem Malvasierwein. Ned fand William Flower im Kräutergarten, wo er etwas Salbei und Ruhe sammeln wollte.
»O Master Flower!«, rief Ned. »Der Page des Königs stirbt und der König verhungert und man ruft nach Euch. Beeilt Euch, bevor die üble Laune Master Hardy den Leib zerreißt!«
William ließ den Salbei fallen und rannte quer über den Hof zur Küche; Ned lief atemlos hinter ihm her. Drinnen hatte sich der Sturm gelegt und es herrschte eine beklemmende Windstille. Diejenigen Köche und Küchenjungen, die noch auf den Beinen waren – etwa ein Viertel von ihnen lag krank danieder –, gingen ihren Aufgaben in düsterem Schweigen nach. Am entgegengesetzten Ende des Raumes stand Master Hardy breitbeinig neben der großen Treppe, die in die Halle führte, und beobachtete, wie der schwache Thomas Frith den noch schwächeren Sir Andrew zu dessen Gemächern führte. Hinter dem mit Essig getränkten Stofffetzen, den er sich gegen Mund und Nase hielt, fluchte Master Hardy leise und stetig.
»Sir Andrew hat die Pest, Master Flower, und Thomas Frith ebenfalls.« Seine Stimme wehte schwach und ausdruckslos hinter dem dämpfenden Tuch hervor. »Bald werden wir alle tot sein. Beim heiligen Mortis, ich zumindest werde dankbar für den Frieden sein. Kümmer dich um das Abendessen des Königs, Knabe, und gib der Küche Befehle nach deinem Gutdünken. Ich kann nicht mehr.« Und Master Hardy wandte der Pest sowie der Küche den Rücken zu und stieg auf der Suche nach Starkbier in die Kellergewölbe hinab.
König Lionel von Albia saß brütend neben einem kleinen Feuer in seinem Privatgemach; er hatte die Beine auf den Kamin gelegt und das goldfarbene Kinn war ihm auf die in Samt gekleidete Brust gefallen. Sein Gesicht trug einen mürrischen, finsteren Ausdruck, der nicht recht zu seiner gesunden Schönheit passte, und die weiche, goldene Haarmähne war zu Elfenlocken verfilzt.
In seiner herunterhängenden Hand hielt er ein stark zerknittertes Pergament, das von einer schweren Reihe scharlachfarbener Siegel geschmückt war – die offizielle Ankündigung von Botschafter Tellemondes Besuch. Seitdem der Gesandte König Arnauds ihm dieses Schriftstück am Aschermittwoch in die Hand gedrückt hatte, hatte König Lionel es immer wieder gelesen. Er hatte darum gebetet, den
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