Die Blume der Diener
Rüstung zu polieren. Der König verbrachte diese Zeit vernünftiger, indem er Strategie lernte und alte Soldatenberichte las. Er forderte den Adel auf, seiner Lehenspflicht mit Truppen nachzukommen, und im Frühling sammelten sich die Soldaten – mitsamt Pferden, Getreide, Waffen, Rüstungen, eingesalzenem Fleisch, Stroh, Zelten, Wein und Bier in eichernen Fässern, Kerzen und Hufnägeln – in einem großen Lager auf dem Feld von Wyrmford westlich von Cygnesbury. Schließlich zogen an einem Maimorgen König Lionel und der Günstling des Königs, der Graf von Toulworth, am Kopf einer Armee aus dreitausend Pferden und zwei Mal dreitausend Fußsoldaten in den Krieg; alle waren bestens ausgerüstet und trugen Heldenmut im Herzen.
Der Krieg gegen die Branten war von dem Augenblick an vom Pech verfolgt, in dem die albische Armee den Fuß auf das Heide-Hochland Brants gesetzt hatte. Lionel hatte auf das Urteil seines Günstlings vertraut, doch bald wurde ihm klar, dass Robins Rüstung zwar glänzte und seine Wildheit ohnegleichen, aber seine Kenntnis von Militärtaktik gleich Null war. Nachdem Robin zwanzig Reiter in einem heldenhaften, aber unbesonnenen Ausfall verloren hatte, musste Lionel zuzugeben, dass sein Freund vielleicht ein fähiger und eifriger Totschläger, aber kein geeigneter Anführer war. Robin sah den Krieg als eine Art Turnier mit scharfen Schwertern an, in dem kein Hofmarschall die Gegner trennte, wenn einer den anderen zu Boden geschlagen hatte. Er hatte keine Geduld mit großen Truppen, Versorgungslinien und forciertem Marsch, und er sah die Notwendigkeit nicht ein, zwischen den Schlachten auszuruhen oder den Bauern einen Teil des von der Armee beschlagnahmten Weizens und Viehs zu bezahlen.
Es war ein alter Streit, den Lionel nun erneut mit sich selbst führte: ob er besser aus Brant herausmarschiert wäre, als er die erste Schlacht verloren hatte, oder ob es richtig gewesen war, weiterzukämpfen. Er hatte befürchtet, ein Rückzug hätte ihn vor der Welt als aufgeblasenen Prahler gebrandmarkt, der zwar Drohungen ausstoßen und sticheln konnte, aber sofort zusammenbrach und sich fortstahl, wenn der Feind Kampfesmut bewies. Mehr noch – er hatte befürchtet, dass solch feige Vernunft ihn das Vertrauen seiner Arme kostete; sicherlich hätte es ihn Robins Liebe gekostet. Also kämpfte Lionel weiter, führte Angriffe, wenn ihm die Branten eine geordnete Schlacht erlaubten, und drängte seine entmutigten Männer dazu, sich zu verteidigen, wenn die Branten auf dem Marsch oder im Lager über sie herfielen. Die Soldaten waren vom Hunger geschwächt, der sie zu einer leichten Beute für Ausfluss und Fieber machte. Viele fielen in der Schlacht oder in einem Hinterhalt. Einige desertierten. Als es September wurde, hatte Lionel beinahe die Hälfte der strahlenden Armee verloren, die im vergangenen Mai ausgeritten war, und er stritt mit seinem Günstling darüber, ob sie sich geschlagen geben sollten.
Am Fest des heiligen Bertin standen sich König Lionel von Albia und König Douglas von Brant auf dem Feld von Colum gegenüber. Bei Sonnenaufgang griffen die verfeindeten Armeen an. Die Albier riefen ihren König und ihre Heiligen an und die Branten schrien wie Wilde: »Tod! Tod!« Bis nach Mittag kämpften sie und das Herzblut so manch tapferen Mannes tränkte die durstige Erde. Brantische Barden dichteten Lieder über dieses Gemetzel. Wer mochte sie dafür tadeln, wenn sie sich über die Verluste ihrer Feinde hämisch freuten?
So begann der Streit auf Colums Feldt,
Zwyschen Tag unnt Nocht;
Bevor der Tag vorüber unnt vergangen war,
Ritte Küning Lyonel focht.
Albiens Hochmuth ward geschlacht.
Denn wie ich Euch wahrlich sag’,
Von Albiens Mannen zwey Mal Tausend
Nur zween Hundert sahn den nechsten Tag.
Das war die Übertreibung des Siegers, doch sechshundert Albianer starben tatsächlich an jenem Tag, unter ihnen Robert Wickham, Graf von Toulworth. Er wurde getötet, als er seinen König und seine Standarte verteidigte. Wie viele andere ließ man ihn notgedrungen dort liegen, wo er zu Boden gegangen war, denn bereits kurz darauf wurden die Überreste der Albischen Armee südwärts über den Fluss Col getrieben. Vor Sonnenuntergang sandte König Lionel einen Herold zu König Douglas und bat um eine Waffenstillstandsverhandlung. Zwei Tage vergingen im Austausch von Forderungen, gegenseitigen Beschuldigungen und Ultimaten und am Ende stand dies: Lionel sollte einen Vertrag mit Brant abschließen und
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