Die Blume der Diener
nordwestlich von Seave gebracht hatte. Dieser Bruder Jerome war der Sohn einer Schwester von Toms Vater, die einen Hufschmied aus Cygnesbury geheiratet hatte, und es entsprach dem Geist des Familienzusammenhalts, dass der Mönch seine Rückreise von Barthon nach Cygnesbury unterbrach, um seinem Neffen einen Besuch abzustatten.
Bruder Jerome traf zwischen der Sext und der Non auf dem Bauernhof zu Nagshed ein. Er war eine ziemlich fette Gestalt und ritt auf einem plumpen, braunen Maulesel. Der Bauernhof lag in nachmittäglicher Ruhe und war leer bis auf eine Hühnerschar, die plötzlich unter den Hufen des Maultieres in einer staubigen, gackernden Wolke aufflatterte. Das verwirrte Maultier schrie auf. Bruder Jerome wurde wütend und drosch mit seiner Haselgerte sowohl auf den Maulesel als auch auf die Hühner ein. Dieser Aufruhr rief die Martindales aus dem Kuhstall, aus der Molkerei, der Küche und Kräuterkammer herbei. Bald bemerkte Bruder Jerome, dass sich fast alle seine Verwandten vor ihm versammelt hatten: Tom und seine Frau Bet, ihre Neffen Hal und Jack, Jacks Frau Mary mit ihrer kleinen Tochter Anne, die sich an der Hüfte ihrer Mutter festhielt, und Toms Tochter Elinor mit ihrem fetten, schwarz-weißen Hund, der an ihren Fersen schnüffelte.
Elinor scheuchte die Hühner fort, während Hal sich neben den Kopf des Maulesels stellte und ihn beruhigte. Tom runzelte die Stirn und blieb an der Pferdetränke stehen. »Was führt Euch so weit von Cygnesbury fort, Onkel?«, rief er. »Was sucht Ihr hier?«
Bruder Jerome stieg von dem Maulesel ab und schüttelte sein staubiges Gewand aus. »Ich suche dich, Tom Martindale, weil ich dir und den deinen sagen will, dass die Königin tot ist. Morgen werde ich euren Pfarrer aufsuchen, damit er eine Messe für ihr Seelenheil liest.« Seine Verwandten starrten ihn mit offenem Mund an. »Gibt es keinen Willkomm für einen Verwandten deines Vaters, Tom?«, fragte er. Seine Stimme klang so kläglich, dass Bet bewegt einen Schritt nach vorn machte und ihm einen Kuss auf die fettige Wange drückte.
Bruder Jerome wandte sich von der alten Frau ab, kraulte der kleinen Anne das Kinn und drückte der hübschen Mary einen herzlichen Kuss auf die Lippen. »Das Vorrecht der Verwandtschaft, liebste Kusine«, sagte er und zwinkerte heftig. »Und du« – er streckte eine fette Hand dem großen, etwas abseits stehenden Mädchen entgegen –, »du bist wohl meine kleine Kusine Elinor. Komm und gib deinem Onkel einen Kuss, Süße.«
»Ihr müsst schrecklich durstig sein, Bruder«, sagte Bet hastig, packte ihn am Arm und führte ihn ins Haus. »Kommt und setzt Euch, während meine Elinor einen Krug Bier holt, mit dem Ihr Euch die Kehle befeuchten könnt. Königin Constance ist tot, sagt Ihr? Und dabei war sie so eine junge Frau!«
Bet war inzwischen beinahe sechzig und noch rüstig, aber knorrig wie ein alter Apfelbaum, der gut trägt, jedoch unter den Winterwinden knirscht und splittert. Ihre Hände und Kniegelenke schwollen und schmerzten an regnerischen Tagen und es fiel ihr zunehmend schwerer, den Brotteig zu kneten oder den Boden zu wischen. Als sie Bruder Jerome zu dem hochlehnigen Stuhl neben dem Kamin zog, lächelte sie, weil sie die Königin, die mindestens vierzig gewesen sein musste, als junge Frau bezeichnet hatte. Ich werde alt, dachte sie, wenn mir vierzig als jung erscheint.
Als Bruder Jerome sich auf Toms Stuhl wie auf einem Thron niedergelassen hatte und Bier und Gerstenküchlein neben ihm standen, nahm die Familie um ihn herum Platz. Er lächelte und sie lächelten zurück. Schweigen senkte sich herab. Elinor und Mary wollten im selben Augenblick etwas sagen und brachen dann gleichzeitig ab. Elinor lachte und bedeutete Mary mit einer Geste, sie solle den Anfang machen. Mary schüttelte ein wenig verdrossen den Kopf. Elinor sah wie zwanzig aus, Mary ein wenig jünger, doch in ihr reifte bereits ein zweites Kind. Bet fragte den Mönch nach der letzten Krankheit der Königin.
»Leider, Mistress Bet«, antwortete Bruder Jerome leichthin, »bin ich weder Kräuterweib noch Krankenschwester, sondern nur ein unwissender Schreiber, der sich nicht um Rheuma, Schmerzen oder Herzklopfen kümmert. Gott gefiel es, Ihre Majestät in der dritten Woche des Lenzes an seinen Busen zu rufen, und sie folgte seinem Ruf, wie es sich für eine gehorsame Tochter geziemt. Mehr weiß ich nicht.«
»Also ist die arme Frau schon länger als zwei Wochen fort und wir waren so unwissend wie ein
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