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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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parfümierten Wassers vor ihm nieder und der König wusch sich die fettigen Finger. Dann legte er eine tropfende Hand auf die Schulter des Dieners und musterte ihn eingehend. Das Gesicht des Jungen war wie aus Sahne und Rosen; er hatte einen festen und hübschen Kiefer, schmale Wangen und ein glattes Kinn wie das eines Knaben am Rande der Mannhaftigkeit. Robin hatte so ausgesehen, bevor der Krieg ihn hart gemacht hatte. »Ich kenne dich nicht«, sagte Lionel plötzlich. »Wessen Sohn bist du?«
    Der junge Mann errötete. »Der Sohn meines Vaters, Majestät«, antwortete er. Etwas in seiner Stimme bewirkte, dass der König die Hand an seinen juwelenbesetzten Dolch legte. Kein namenloser Küchenjunge sprach so mit seinem Gebieter! Doch Lionels Wutwallung verebbte genauso plötzlich, wie sie gekommen war, und schlug um in milde Belustigung. Der Knabe war zweifellos der Bastard irgendeines Adligen; kein Bauer oder Schurke konnte diese gebogene Nase, diese damastartigen Wangen und diesen empfindlichen Stolz gezeugt haben. Lionel ließ Williams Schulter los, gebot ihm aber nicht, sich zu erheben.
    Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit Pfirsichen; die Früchte stammten aus den Gewächshäusern des königlichen Gärtners. Jedes Jahr brachte Tom Gatham persönlich die ersten Pfirsiche zu König Lionel und überreichte sie ihm mit einer Verneigung und einem knorrigen Lächeln. Genauso hatte er damals Lionels Vater die ersten Kirschen gebracht. Nun zog Lionel den Dolch, an dem er herumgespielt hatte, nahm einen Pfirsich und schälte ihn, während er den knienden Diener beobachtete. »Du bist sehr jung für einen Unter-Tafelmeister«, bemerkte er.
    Es entstand eine Pause, als ob Flower über seine Antwort nachdenken müsste. »Ich bin … fünfundzwanzig, Majestät.«
    Der König war zum Scherzen aufgelegt. »Nun, deine Wangen sind so glatt wie die eines Mädchens; man könnte glauben, die Milch deiner Mutter haftet dir noch an den Lippen. Fünfundzwanzig! Ich selbst bin gerade zweiundzwanzig und habe schon seit mindestens vier Jahren Haare am Kinn.« Er schnitt ein Stück von dem Pfirsich ab und aß es, dann hielt er inne und strich sich einen Safttropfen aus dem sauberen, goldenen Bart.
    »Hatte Eure Majestät irgendetwas an der Bedienung während seiner Feste in den letzten drei Wochen auszusetzen?«, fragte Flower steif.
    Der König schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein. Ich hatte eigentlich geglaubt, dass wir die heißen Pasteten und herrlichen Pfauen Tafelmeister Meltons abnehmendem Interesse für Malvasier zu verdanken hätten.
    War das etwa dein Werk?«
    »Ja, mein Gebieter.«
    Sofort erkannte König Lionel ein Heilmittel für zumindest eine der Krankheiten, die ihn von allen Seiten bedrängten. Er richtete sich rasch auf. »Master Flower«, sagte er. »Dein Alter ist mir gleichgültig. Jeder Mann, der sich erfolgreich um meine angemessene Bedienung kümmern kann, obwohl nur noch ein paar Küchenjungen auf den Beinen sind, ist ein Mann, der all seine Sinne beisammen hat. Bis Melton sich erholt hat, arbeitest du als Tafelmeister. Suche den Lord Haushofmeister auf, falls er nicht ebenfalls erkrankt ist, und besprich mit ihm die Belustigungen für die Abgesandten aus Gallimand. Sie werden gegen Ende des Monats hier sein.«
    Master Flower runzelte die sonst so glatte Stirn und riss Augen und Mund auf. Als Lionel diese Maske stummer Verwunderung sah, musste er laut lachen. »Dank uns nicht, Master Flower«, warnte er, »denn es ist eine heikle Aufgabe, mit der wir dich betrauen – hart und bitter wie dieser Pfirsichkern.« Zufrieden sowohl mit dem Vergleich als auch mit seiner Entscheidung, warf Lionel William den Pfirsichkern zu und lehnte sich bequem zurück, um seinen Wein auszutrinken. »Erhebe dich nun, Tafelmeister Flower, und geh deiner Arbeit nach.«

Kapitel Vier

    Im neunundzwanzigsten Jahr der Regierung König Geoffreys, genannt der Gerechte, starb seine Gemahlin, die Königin Constance. Sie nahm ihren letzten Atemzug am Morgen des heiligen Thomas, und die Nachricht von ihrem Tod flog von Schloss Cygnesbury auf einer Wolke des Kummers so schnell, dass bereits ganz Albia seine freundliche und geliebte Königin betrauerte, bevor noch der März zur Hälfte vorbei war. Tom Martindale hörte die Nachricht fern der Hauptstadt, an der nördlichen Grenze von Hartwick; sie erreichte ihn durch einen Benediktinerbruder, der die traurigen Neuigkeiten von seinem Prior aus der Abtei Cygnesbury zu dem Prior von Barthon

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