Die Blume der Diener
darin schwören, das Land vor allen Feinden zu schützen; Lionel sollte sich und seine Armee unverzüglich aus Brant zurückziehen; Lionel sollte König Douglas eine Summe Goldes bezahlen, mit der dieser die Witwen und Waisen jener tapferen brantischen Männer unterstützen wollte, die von Lionels eindringender Armee niedergemetzelt worden waren. Zusätzlich kaufte Lionel den Leichnam Lord Wickhams gegen ein Lösegeld frei, das ausgereicht hätte, einen lebenden Baron auszulösen. Mehr als ein Jahr später schwärten Albias Wunden noch immer. Der Vertrag, die Pensionen für Lionels Krieger, die Belohnungen und Ehrenämter für die Ritter, die zusammen mit ihm gekämpft hatten, Robins noch unvollendetes Grabmal – all das belastete die Staatskasse schwer. Die angrenzenden Königtümer Estremark und Liscard sowie das Fürstentum Rin schnüffelten um Albias Grenzen herum wie Wölfe um ein sterbendes Schaf. Adlige, die unter Geoffreys Herrschaft auf ihren Besitztümern geblieben waren, kamen nun mit besorgtem Lächeln und unwillkommenen Ratschlägen an den Hof seines Sohnes. Die Allianz mit Gallimand, einst vielleicht eine Möglichkeit unter vielen, war nun eine Sache dringender Notwendigkeit.
In dem immer dunkler werdenden Raum brannte das Feuer langsam herunter, denn der König hatte sich nicht die Mühe gemacht, zum Anfachen einen Pagen oder Kammerdiener zu rufen. Er sah keinen Ausweg aus dem Leid, das er selbst auf sich herabbeschworen hatte. Und nun gesellte sich noch dieses pestartige Fieber hinzu, das die Mitglieder seines Hofes wie ein Pfeilschwarm niedermähte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Pest vom Schloss auf die Stadt und von Cygnesbury auf die Umgebung übersprang. Die Pest bedeutete einen grausamen Tod, auch wenn dieses Fieber nicht so schrecklich war wie einige andere Arten, von denen der König gelesen hatte. Dennoch zog Lionel es vor, seine noch junge Herrschaft nicht auf einem feuchten und widerlichen Krankenlager zu beenden, sondern rasch und sauber auf einem Schlachtfeld und umgeben von seinen toten Feinden.
Dann erhob sich in ihm ungebeten die Erinnerung an Robins verstümmelten Körper, den Lionel splitternackt und an ein Brett gefesselt zurückerhalten hatte. Die lohfarbenen Augen waren offen und eingesunken gewesen, der Blick starr. Ein Arm war abgehackt; die Brust war aufgehauen, sodass weiße Rippen unter einem Lappen bläulichen Fleisches zu sehen waren. Der Tod auf dem Schlachtfeld war nicht unbedingt schnell oder sauber.
Lionel schüttelte die Vision ab und sprang von seinem Stuhl auf. Was dachte sich Thomas Frith nur dabei, seinen Herrscher so zu vernachlässigen? Kein Lord oder Diener hatte sich ihm seit Stunden genähert! Bei den Knochen Gottes, Albia hungerte! Bereit, sein Missvergnügen durch die Korridore zu brüllen, riss Lionel die Kammertür auf.
Ein junger Mann stand auf der Schwelle und hatte die Hand gehoben, um anzuklopfen. Unter seinem milden Blick wich der König beschämt zurück.
»Euer Abendessen, mein Herrscher«, sagte der junge Mann munter und führte zwei schmierige Küchenknaben an dem verdutzten Monarchen vorbei in das königliche Gemach. Mit leiser Stimme wies er sie an, ihre Last auf einer Truhe abzusetzen und einen kleinen Tisch näher an den Kamin zu schieben. Er deckte den Tisch mit einem schönen Leinentuch, stellte einen silbernen Pokal und ein Tranchierbrett darauf, entließ seine ehrfürchtigen Helfer und machte sich daran, dem König aufzuwarten.
Der König stand wie fest gewachsen neben der Zimmertür und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. »Wo ist der junge Frith?«, wollte er wissen. »Und wer, in drei Teufels Namen, bist du?«
»Thomas Frith ist an der Pest erkrankt, mein Herrscher, und ich bin William Flower, Aufseher über Euer Majestät Küche.«
»Wo ist Tafelmeister Melton?«
»Krank, mein König.«
»Und der kleine Edward Peel?«
»Tot, mein Gebieter.«
»Bei den Knochen Gottes«, sagte König Lionel und setzte sich schwermütig vor sein Fleisch.
Zuerst beanspruchte der Hunger Lionels ganze Aufmerksamkeit. Der größte Teil der Lerchenpastete sowie zwei dicke Scheiben gebratenes Wild verschwanden kurz hintereinander im königlichen Schlund. Als sein Magen beruhigt war, schaute sich König Lionel seinen neuen Diener an, der zugleich schweigsam und geschickt war und auf das Knie sank, wenn er einen Gang darreichte oder Wein mit beachtlicher Anmut ausschenkte. Am Ende des Mahls kniete Flower mit einer Schüssel
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