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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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auf die Unterlippe biss und ihn von der Seite ansah.
    König Lionel erbarmte sich ihrer. »Macht Platz für den Zweiten, Sir Lawrence, und beschämt nicht diese arme Maid. Sie ist zu jung für solche Galanterien.« Dann befahl er dem Herold, er solle den Namen des Chevalier Henri du Croix ausrufen, der den goldenen und mit Juwelen besetzten Gürtel gewonnen hatte, und die Preisverleihung wurde fortgesetzt. Auf dem Fest in jener Nacht tanzte Alyson die Volte mit dem schweigsamen Chevalier du Croix. Sie wollte nicht mehr mit Sir Lawrence sprechen, der sich daraufhin einsam in sein Zelt zurückzog und über die Dummheit nachdachte, einer Dame nach dem Vorbild des Minnesangs den Hof machen zu wollen.
    Vier Tage nach dem Turnier reiste Botschafter Tellemonde strahlend vor Freude mit seinen Rittern und Gefolgsleuten nach Gallimand ab. In seinem Ranzen hatte er unterschriebene Verträge für König Arnaud und für Prinzessin Lissaude ein mit Juwelen besetztes Abbild ihres Verlobten.
    Der Hof verblieb noch für kurze Zeit in dem Lager, doch am ersten Juni – etwas mehr als einen Monat nach Ausbruch der Pest – ritt König Lionel durch die Straßen von Cygnesbury zu seinem Schloss zurück. Seine erste Tat nach der Ankunft bestand darin, dem Erzbischof ein Hochamt für die Seelen aller an der Pest Gestorbenen zu spenden. Sofort danach ernannte er William Flower zum Haushofmeister des Königreiches von Albia.

Sommer

Kapitel Eins

    Früh im Juni kehrte Margarets Pesthauch so trotzig wie ein geschlagenes Kind zurück. Er jammerte, seine Arbeit habe gerade erst angefangen, Spaß zu machen, als sie für ihn plötzlich zum Kampf wurde. Die Macht der zauberischen Pest, die seine Meisterin erschaffen hatte, war in der Nähe ihrer Tochter immer schwächer geworden; im gleichen Maße, wie sich der Einfluß dieser Hexe im Schloss verbreitete, war der des Windteufels zurückgegangen. Also war er fortgeflogen. Ein Teufel ist kein Esel, der sich auch dann noch abplagt, wenn jede Mühe zwecklos geworden ist.
    Margaret entließ den Teufel und zog ihren Spiegel zu Rate. Wieder einmal nickte ihre rabenschwarz gekleidete Tochter dem gelbhaarigen Henker zu und wieder warf er die Füchsin ins Feuer. Erneut packte Margaret den Rahmen und rang mit dem Bild, bis das Eisen ihr in die Finger schnitt und ihr das Haar wie Feuer um den Kopf zuckte. Obwohl die volle, versengende Macht ihres Willens stark genug war, um einundachtzig Dämonen zu binden, war sie nicht dazu in der Lage, die Prophezeiung zu vernichten. Margaret hob den Kopf und heulte auf; es war ein langer Schmerzensschrei, der ihre Wut nährte und wiederum von ihrer Wut genährt wurde.
    Die Füchsin stieß ihr vorsichtig mit der Pfote gegen das Knie. Knurrend ließ Margaret den Spiegel los und grub die verletzten Finger in das derbe, lebendige Fell am Hals der Füchsin. Das Blut des Tieres pulsierte schnell und floss im Einklang mit Margarets eigenem Blut. Einen Augenblick lang kauerte sie nieder und liebkoste die kleine Füchsin mit schuldbewusster Sanftheit. Da ihre Tochter noch lebte und Macht über sie hatte, brauchte Margaret dringend Rat. Das Horn war nur in der Lage, ihre Winde zu beherrschen; der Spiegel hingegen war ihr Lehrer und Ratgeber gewesen. Allein und ohne Anleitung war Margaret ihrer Feindin hilflos ausgeliefert. So schwach Magister Lentus auch gewesen war, so hatte er doch wenigstens seinen Talisman gehabt.
    Magister Lentus! Margaret lief von der Truhe zum Schrank und dann zu einem verzauberten Kästchen. Sie suchte eine Kohlenpfanne, einen kleinen, weißen Knochen, eine Geißel mit Lederriemen, Phiolen mit geheimen Pulvern, Stöcke aus seltenen Hölzern und Kalk zusammen. Lentus hatte den Spiegel gemacht; Lentus hatte geschworen, ihr seine Geheimnisse zu enthüllen. Nun, er hatte diesen Schwur vor dreißig Jahren nicht gehalten; also musste er heute sein Versprechen einlösen. Das Kind, das sie bedrohte, war schließlich von ihm gezeugt worden. Grimmig streifte Margaret Gewand und Kittel ab, zeichnete das Pentagramm auf den Boden und entzündete das unheilige Feuer.
    Einerseits gleicht die Nekromantie der Zauberei; andererseits unterscheidet sie sich stark von ihr. Sie ähnelt der Zauberei darin, dass sowohl der Dämon als auch der Geist aus der Hölle herbeigerufen werden und sich in einem unsicheren Gefängnis aus schwarzem Feuer verkörperlichen. Der Unterschied besteht darin, dass der Dämon nie gelebt hat und durch abstrakte Mächte beschworen werden kann –

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