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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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durch Worte und Töne. Menschliche Schatten, deren unkörperliche Substanz sich noch an die körperlichen Freuden erinnert, erscheinen nur bei fleischlicheren Verlockungen. Margaret kniete nackt neben den tintenschwarzen Flammen nieder und geißelte sich Brust und Bauch. Der Dreschflegel hatte so viele Köpfe wie eine Hydra; in das Ende eines jeden Striemens war ein menschlicher Zahn geknotet. Diese Zähne bissen scharf zu und nach ein paar Schlägen stand Blut wie ein Netz aus dunklen Rubinen auf Margarets weißem Fleisch. Sie wischte sich mit der Hand über die Brust und hielt sie dann blutverschmiert in die schwarzen Feuerzungen. Dreimal rief sie Lentus’ Namen und beim dritten Ruf erhob sich das Gesicht ihres früheren Meisters in der Mitte des dunklen Feuers. Er schielte sie lüstern an.
    »Du hast mich also gerufen, meine Süße. Bist du deiner dämonischen Liebhaber am Ende müde? Haben dich die Umarmungen der Incubi ausgetrocknet? Verlangt es dich jetzt nach der Umarmung der Toten?«
    Seine tote Stimme war noch immer melodiös, doch sie verursachte bei Margaret ein angeekeltes Schauern. Sein bloßer Anblick drehte ihr den Magen um. Trotzdem hielt sie den Blick fest auf ihn gerichtet und sagte mit zusammengepressten Zähnen: »Es geht um den Spiegel, den du für mich gemacht hast. Seine Magie gehört mir, aber du hast ihn erschaffen. Du hast versprochen, ihn mir zu erklären, bist jedoch gestorben, bevor du dein Versprechen einlösen konntest. Bei unserem Eid als Meister und Lehrling beschwöre ich dich, mir alles zu enthüllen, was du über diesen Bronzespiegel weißt.«
    Lenins’ Geist spitzte die Lippen. Sie verzogen sich, als wimmelten sie von Maden. »Ich kann dir nichts verraten«, jammerte er. »All meine zauberische Weisheit ist dahin und meine Bekanntschaft mit den Dämonen ist eher eng als gewinnbringend geworden. Willst du erfahren, wie es ist, wenn einem das Gehirn Windung für Windung durch das Ohr aus dem Schädel gezogen und wie ein Presskopf in den Mund gestopft wird? Ich kann mich jahrhundertelang über dieses Thema auslassen. Aber ich erinnere mich an nichts, was diesen verfluchten Spiegel angeht.« Sein Gesicht legte sich in Falten und flackerte. »Ich kann dir nur ein einziges Geheimnis verraten.«
    Margaret presste die Hände um den Stiel der Geißel. »Dann rede. Ich befehle es dir.«
    Im Herzen der Flamme gerann Lentus’ Gesicht; es wurde fest und fleischig. »Ich verdamme dich«, sagte er ernst. »Der einzige Trost, der mich unter den Foltern der Verdammnis aufrecht erhält, ist die Gewissheit, dass du sie bald mit mir teilen wirst.« Der Geist streckte die weißen Finger aus der Flamme und tastete mit ihnen über Margarets blutbefleckte Brüste. Seine Berührung war wie klebriger Regen, kalt und haftend. »Eile zu mir, meine Geliebte. Ich brenne vor Verlangen nach dir.«
    Hastig trat Margaret das dunkle Feuer aus. Lentus 7 Schatten verschwand und hinterließ eine widerliche Fettschliere auf ihrer Brust sowie den Gestank von geröstetem Fleisch. Eher hastig als sorgfältig schrubbte sich Margaret Fett und Blut von der Haut und zog rasch Kittel und Gewand wieder an. Sie rief eine Brise zur Reinigung der Luft herbei und schloss Lentus’ nekromantische Gerätschaften fort.
    Als sie die Geißel und den Knochen in das eiserne Kästchen legte, sagte sich Margaret, dass Lentus’ Magie immer plump, schmutzig und genauso verschlagen gewesen war wie die Schatten, über die er gebot. Er war von seinen Dämonen zu abhängig gewesen und hatte sie nicht als Sklaven, sondern als Hausgeister und Gefährten benutzt. Er hatte ihnen vertraut und sich von ihnen Rat erbeten. Sie hatten ihm seine Zuneigung damit vergolten, dass sie ihm den Körper ausgesaugt und seine Seele in die heißesten Höllenpfühle geworfen hatten. Ein Meister, der von der Treue seiner Sklaven abhängt, wird bald selbst zu ihrem Sklaven.
    Diese Lektion hatte Margaret gut gelernt. Seit beinahe dreißig Jahren liebte sie nur ihren Spiegel und ihre Füchsin, denn beide waren ein Teil von ihr und konnten sie nicht betrügen. Rat suchte sie in ihren Büchern und dem darin angehäuften Wissen. Doch nun war ihr Spiegel blind vor Zorn und ihre Manuskripte und magischen Texte hatten für sie keine größeren Wert mehr als leere Blätter. Unten in der Kammer des Wisperns warteten einundachtzig Hausgeister, Kobolde, Dämonen und Teufel auf ihr Wort, aber es gab nichts, was sie ihnen sagen konnte. Sie befürchtete, es würde nicht lange

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