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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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dauern, bis sie die Verwirrung ihrer Meisterin rochen. Und diese ganze Verwirrung, Taubheit und Blindheit wurde von einem einzigen ekelhaften Bastard verursacht, der seine Beine und sein geringes Kräuterwissen in den Hallen des Schlosses von Gygnesbury frech zur Schau stellte.
    Dunkel und kalt wie tiefes Wasser wuchs Angst in Margaret und drohte, ihren Verstand und ihre Sinne zu ertränken. Tod hauchte sie an, aber sie wollte nicht kampflos aufgeben. Sie streckte die Hand nach dem Horn aus. In ihrer Brust schwoll eine höllische Musik an. Ein Ton des Triumphes darin erregte ihre Aufmerksamkeit und ein Echo von Lentus’ Stimme wisperte: »Komm rasch her zu mir, meine Geliebte. Ich brenne.«
    Langsam wandte sich Margaret von dem Horn ab, setzte sich auf ihren geschnitzten Stuhl, strich die Röcke glatt und faltete die Hände. Die Füchsin lugte aus ihrem Versteck hervor, schnüffelte fragend und tappte dann mit zitterndem Schwanz über die Steinfliesen auf ihre Herrin zu. Als sie Margarets Füße erreicht hatte, setzte sie sich vor ihr auf, bellte laut und hielt den Kopf schief. Was nun, Herrin? fragten ihre Onxyaugen. Was willst du jetzt tun?
    Margaret erhob sich, setzte sich wieder, klopfte mit den Fingern auf die hölzerne Armlehne, stand erneut auf und schlich im Zimmer umher. Sie fuhr mit den Fingern über die Buchrücken aus Leder und Pergament, rückte Gefäße und Kästchen so lange hin und her, bis sie sich in gleichem Abstand zueinander befanden, und ordnete Glocken, Schüsseln und Phiolen in gestaffelten Reihen auf den Regalen an, als ob jeder dieser Gegenstände ein Gedanke und das Turmzimmer der sie beherbergende Schädel sei. Wörter purzelten in Margarets Hirn übereinander wie die bedeutungslosen Silben eines Dämonennamens: Tochter. Blut. Feuer. Dämonen. Tod.
    Dämonen. All ihre Macht offenbarte sich in ihren Dämonen. Sie hatte sie wie Münzen gehortet, sie bei Kerzenlicht immer wieder gezählt und wollte sie weder ausgeben noch aufs Spiel setzen. War sie wie Lentus etwa nur die Dienerin der Dämonen? War sie denn nicht ihre Herrin? Lag nicht der einzige Wert der Dämonen in deren Macht und Stärke, mit der sie Margaret dienten? Da Hausgeister und Kobolde keinen Verstand hatten, waren sie ausschließlich für niedrige Aufgaben zu gebrauchen, aber Hausgeister und Kobolde waren nur das Kleingeld in ihrem Schatz. Nun besaß sie sogar einen goldenen Taler, einen Goldbarren, einen unschätzbaren Diamanten: ihren Erzdämon, ihren Höllenfürsten. Fürsten sind mit Verstand begabt, sagte sie sich, auch wenn sie vielleicht eigensinnig sind. Doch sie hatte bereits bewiesen, dass ihr Wille stärker als seiner war.
    Der Spiegel glimmerte ihr unheilvoll entgegen und erinnerte sie an die Unvollkommenheit ihres Willens.
    Margaret deckte den Spiegel zu und drehte ihn zur Wand. Dann nahm sie ihr Horn und blies die fünf Signaltöne für den Erzdämon. Ein eisiger Windstoß trieb die Treppe hinauf und flog durch das Zimmer. Das gewebte Einhorn über dem feuerlosen Kamin erzitterte heftig.
    »Frieden«, befahl Margaret. »Ich habe dich als Ratgeber hergerufen, nicht als Hofnarr.«
    Der Wind rollte sich zusammen und wurde zu einer beinahe unsichtbaren, rastlos in der Mitte des Zimmers wirbelnden Säule. Pergamente flogen um sie herum wie Motten um eine geisterhafte Kerze. Alles im Zimmer – das Fell der Füchsin und Margarets Haar, die Wandbehänge und der Schleier vor dem Spiegel, sogar die Lesepulte und die schweren Tische – schien sich auf die stille Gewalt des Dämons auszurichten. Hypnotisch wirbelte er immer weiter. Nach einiger Zeit bemerkte Margaret, dass sie aufgestanden war und sich ehrfürchtig vor ihrem Diener verneigt hatte. Sie setzte sich rasch wieder und zog ihre schweren Röcke über die Knie. »Ich werde ungeduldig, Sklave«, sagte sie.
    Aus dem Wirbel drang eine leise, rauschende Stimme; sie klang wie eine Kerze im Wind. »Lady«, flüsterte der Dämon, »ein Sklave kann keine eigenen Gedanken haben. Ihr müsst zwangsläufig weiser sein als ich, denn ansonsten hättet Ihr mich nicht rufen und binden können. Wie vermag ich Euch daher Rat zu geben?«
    »Manchmal findet ein Narr den Penny, den der Weise übersehen hat.« Margarets Blut pochte ihr so stark in den Ohren, dass sie kaum denken konnte, doch ihre Stimme war gleichmäßig und ruhig. »Und ein Sklave muss die Wünsche seines Meisters erfüllen, um was es sich auch handeln mag.« Jetzt war die Zeit gekommen, wo sie sich erklären musste.

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