Die Blume der Diener
und es befindet sich nicht genügend Gold in der königlichen Schatztruhe, um zusätzlich eine Kapelle auszustatten.« Lionel zuckte zusammen. Robin hatte ihn so viel gekostet und so wenig erinnerte an ihn: ein unvollendetes Mausoleum und ein verarmtes Land.
William drehte die Kerzen so, dass ihr Licht voller auf das Porträt fiel. »Seht die Rose in ihrer Hand, mein Gebieter, und die Blumensträuße, die der Künstler hinter ihrem Kopf gemalt hat. Daraus dürfen wir schließen, dass die Prinzessin an Blumen Geschmack findet. Ein persönlicher Garten oder ein Labyrinth wäre in der uns verbleibenden Zeit leicht anzulegen und würde nicht mehr kosten, als die Geheimschatulle hergibt.«
»Ein Irrgarten könnte von August bis Juni nicht sehr hoch wachsen«, gab Lionel voller Zweifel zu bedenken. »Ich fürchte, es wäre wie ein armseliges Geschenk.«
»Auch ein neu angelegter Irrgarten ist ein Irrgarten, mein Gebieter«, entgegnete Lionel. »Und man könnte Statuen hier und dort in den Seitenwegen und Sackgassen aufstellen.« Nun lächelte William und starrte ins Leere. Er hatte die Hände vor sich zu Fäusten geballt, als ob er sie davon abhalten müsste, seine Vision in der Luft nachzuzeichnen. »Im Mittelpunkt des Irrgartens müsst Ihr einen erstrebenswerten Preis aufstellen – irgendein Sinnbild des Herzens Eurer Braut.«
Lionel wandte den Blick widerstrebend von Williams verklärtem Gesicht ab und schenkte seine Aufmerksamkeit erneut Lissaudes Porträt. Er betrachtete versonnen das Kreuz aus Ebenholz und ihren affektierten, scharlachroten Mund. »Eine Heilige aus Stein«, murmelte er verdrießlich. »Die heilige Lucia oder die heilige Katharina. Oder vielleicht einen Engel.«
William runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Die Natur einer Frau besteht nicht nur aus einem einzigen Ton, Eure Majestät. Die Ehe ist sowohl ein irdisches als auch ein himmlisches Sakrament. Obwohl la Haulte Princesse sehr fromm ist, würde sie zweifellos ein weltliches Herz in ihrem bräutlichen Irrgarten vorziehen – ein Herz, welches die Liebe ihres Herrn widerspiegelt.«
Bei diesen Worten spannte sich Lionels Kiefer. Er hatte gedankenlos ein paar Worte ausgesprochen und nun wagte es dieser Mann, ihn zu belehren, als ob ihn zwanzig und nicht nur zwei Jahre vom König trennten und als ob der König von Albia nichts als ein gewöhnlicher, fehlbarer und unverständiger Mann wäre. Wie sehr sehnte er sich nach Robin, der ihm immer den gebührenden Respekt erwiesen hatte. Zwischen ihnen waren keine Worte nötig gewesen; Robin konnte unmittelbar in das Herz des Königs blicken.
»Belehre mich nicht über die Natur der Frau«, giftete Lionel. »Ich weiß sehr wohl, dass sie so breit gefächert und veränderlich wie das Meer ist. Sollen wir meiner Verlobten also einen Satyr oder eine bewaffnete Jägerin in den Mittelpunkt ihres Irrgartens stellen?«
»Ich hatte an einen Hirsch oder eine Figur der Psyche gedacht, Euer Majestät«, erläuterte William ruhig. »Oder vielleicht an einen Irrgarten, den sie mit Pflanzen ihrer Wahl bestücken kann.«
Diese Vorstellung eines Irrgartens innerhalb eines Irrgartens gefiel Lionel so sehr, dass er ruhiger wurde. »Das ist beachtlich, Haushofmeister«, gestand er und runzelte dann die Stirn. »Aber gibt es unter unseren Gärtnern und Baumeistern jemanden, der einen solchen Garten zu planen vermag? Wir können es uns nicht leisten, zur Beaufsichtigung der Anpflanzungen jemanden aus Gallimand oder Irridia herzubestellen.«
»Der alte Tom Gatham kennt sich mit Unkrautjäten, Stutzen, Hochbinden und Säen aus und es gibt niemanden, der in seinem Obstgarten bessere Früchte zieht als Tom in seinen Gewächshäusern. Aber er kann so wenig ein schön anzusehendes Blumenbeet anlegen, wie er Stroh in Gold verwandeln kann.« Hier hielt William inne. Lionel sah, wie die langen, unberingten Hände des Haushofmeisters sich fest ineinander legten.
»Ich kann einen Irrgarten entwerfen, mein Gebieter«, sagte er sanft.
»Das kannst du?« Verwirrt schaute Lionel auf und bemerkte, dass Williams Wangen sich rosenfarben fleckten, während er eifrig nickte. »Dann entzünde mehr Kerzen und bring weitere Leuchter her. Rasch!« Er suchte unter den verstreuten Briefen nach sauberem Papier, Tinte und einem Kiel. Lionel drückte alles in Williams Hände und forderte: »Also los. Zeig mir, wie es gemacht wird. Wir werden gleich heute Nacht mit Lissaudes Hochzeitsgeschenk beginnen.«
Einen Augenblick lang starrte
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