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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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William ihn an. Er schwankte unentschieden zwischen einem Lächeln und Stirnrunzeln hin und her, als sei er nicht sicher, ob der König sich einen Spaß mit ihm erlaube. Lionel grinste ihn breit an und ergriff einen Kerzenständer, mit dem er William Licht spenden wollte. Der Haushofmeister trug sein Arbeitswerkzeug zu einem kleinen Tisch neben dem kalten Kamin. Er setzte sich, nahm Tintenfass und Kiel vom Papier herunter und tauchte die Feder zögernd ein. Lionel stellte den Kerzenleuchter auf den Tisch und lehnte sich über den Stuhlrücken, damit er William bei der Arbeit zusehen konnte. Mit einer Hand stützte er sich auf der Schulter des Haushofmeisters ab.
    »Man beginnt einen Irrgarten im Mittelpunkt, mein Gebieter, und arbeitet sich dann nach außen vor. Die meisten Labyrinthe kann man entwirren, indem man entweder die linke oder die rechte Hand auf die Hecke legt und diese nicht mehr losläßt, solange man geht.« Er drehte sich nach dem König um. Seine weiße Stirn schwebte nahe vor Lionels bärtigen Lippen. »Aber es gibt Mittel und Wege, wie man das Entkommen schwerer machen kann.«
    Lionel schüttelte sanft Williams Schulter. »Du hast selbst gesagt, dass meine Braut keine Gelehrte ist, Haushofmeister. Ich will nicht, dass sie sich für immer in ihrem eigenen Garten verirrt.«
    »Dann geben wir ihr ein seidenes Garnknäuel mit auf den Weg, sodass sie immer den Weg zum Inneren und zurück findet. Wir könnten auch Kamille oder Thymian entlang des richtigen Weges pflanzen, sodass der Duft sie leitet. Schaut, mein Gebieter, das hier ist ein einfaches Labyrinth ohne jede Finesse.«
    Lionel betrachtete den Plan, den William gezeichnet hatte. »Master Flower, ich muss gestehen, dass es mir gar nicht so einfach erscheint. Doch halt.« Er griff über Williams Schulter und fuhr mit zögerndem Finger den Weg vom Eingang bis zum Mittelpunkt nach. »Ja, jetzt sehe ich es. Der Pfad verzweigt sich, aber er lässt einem keine Wahl. Selbst im Scherz ist es nicht möglich, dass man sich verirrt.« Er hob die Hand und legte sie wieder auf Williams Schulter. »Das ist zu einfach, Haushofmeister. Versuch es noch einmal.«
    William kratzte sich die Nase mit der Spitze der Gänsefeder und dachte einen Augenblick lang nach. Dann tauchte er den Kiel ein und fertigte langsam eine zweite Zeichnung an. Lionel tastete hinter sich, ergriff einen Stuhl und zog ihn an den Tisch heran. Auf dem Gesicht des Haushofmeisters lag ein leises, angespanntes Lächeln. Seine kalten, grauen Augen wurden von den im Kerzenlicht so golden und weich wie Fuchsfell schimmernden Wimpern verschattet.
    Der Kiel kleckste. »Verdammt!«, rief William, warf ihn auf das Papier und wischte einen Tintentropfen unter dem Auge fort. Dabei zog er sich eine lange Schliere über die Wange. »Der Plan ist verdorben.« Er schüttelte kläglich den Kopf und rang die schweißnassen Hände. »Meine Finger rutschen an dem Stiel aus. Die Tinte dampft und blubbert schon. Ich schwör’s!«
    Lionel lachte. »Zeichne weiter, Master Flower«, sagte er mit spöttischer Strenge. »Meine Braut kommt in zehn Monaten und dann sollte der Garten fertig sein.«
    William besserte seinen Federkiel aus und nahm ein neues Blatt Papier. Der nächste Irrgarten war größer und füllte die ganze Oberfläche des Blattes mit verschlungenen Windungen aus. William arbeitete mit großer Sorgfalt. Oft hob er den Kiel vom Papier und zeichnete in die Luft oder malte einen Seitengang zunächst in eine leere Ecke, bevor er ihn dem immer größer werdenden Muster in der Mitte hinzufügte. Dunkelheit ballte sich um den kleinen Tisch zusammen und die Hitze war fast unerträglich geworden. Irgendwann zwischen dem Mittelpunkt des Labyrinths und dem dritten Ring abzweigender Pfade schüttelte sich William den schweren Umhang von den Schultern, knöpfte den Kragen seines Wamses auf und löste die Hemdbänder, sodass sein weißer Hals entblößt wurde. Er glänzte vor Schweiß wie polierter Marmor. Während William arbeitete, sprach er halb zu sich selbst, halb zu Lionel.
    »Wir sollten keine Eibenhecken pflanzen, denn Eiben wachsen auf Friedhöfen und bedeuten Tod. Außerdem wachsen sie sehr langsam.« Er blickte zu Lionel auf. »Eure Majestät wollen sicherlich keinen Irrgarten, der erst dann eine angenehme Höhe erreicht hat, wenn Eurer Majestät Enkelkinder bereits erwachsen sind.« Lionel schüttelte schweigend den Kopf. Er war vom Anblick des Plans und dem Anblick dieses für ihn neuen William Flower

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