Die Blume von Surinam
Kurz darauf stand Karini, nur mit einem kurzen Baströckchen und einer Girlande aus Seidenblumen über dem Busen bekleidet, im Raum. Jette musterte ihr Werk und nickte. »So werden sich alle Männer den Hals nach dir verrenken.«
Karini fühlte sich äußerst unwohl. Daheim in Surinam, im Arbeiterdorf der Plantage, war es nicht außergewöhnlich, spärlich bekleidet zu sein, aber hier, umgeben von Weißen, da fühlte sie sich einfach nur nackt.
Karini blieb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Kurz darauf führte Jette sie in den Schankraum, wo es eine kleine Bühne gab.
»So, jetzt gehst du da hoch und tanzt, solange die Musik spielt.«
Karini sah am Fuß der Bühne drei Männer mit Instrumenten sitzen. Auf ein Zeichen von Jette begannen sie zu spielen. Karini seufzte, raffte dann all ihren Mut zusammen und stieg auf die Tanzfläche. Sie wollte schließlich Geld verdienen. Tanzen konnte sie, sie war schon als Kind bei jedem dansi wild ums Feuer getanzt. Das hier ist auch nicht viel anders, sagte sie sich, auch wenn die Musik in ihren Ohren fremd klang. Sie begann, die Beine und ihre Hüften zu schwingen. Die Männer im Schankraum johlten und klatschten. Karini bemerkte erleichtert, dass der Tanz ihnen zu gefallen schien und niemand sie auslachte. Ermutigt machte sie weiter. So tanzte Karini die halbe Nacht, verdiente sich damit Geld für einige Übernachtungen bei Tante Dela und machte Onkel Alvers glücklich, da das Bier in Strömen floss.
Kapitel 19
M evrouw Riard, dann sind wir für den Moment fertig.« Posthalter Wegemakers war nun doch noch einmal nach Rozenburg gekommen, um eine weitere Befragung durchzuführen. Es war Mitte März, und Julie ärgerte sich ein bisschen, dass die Mühlen der Justiz langsamer arbeiteten als die der Zuckerrohrmühlen. Sie hatte sich im Alltag nach Kräften gemüht, das Ganze weit von sich zu schieben. Tief in ihrem Inneren wollte sie nicht glauben, dass es jemand aus ihrem Haus oder von der Plantage gewesen war, der Pieter … Und jetzt, wo Julie und Jean ihre Geschichte noch einmal erzählen mussten, fragte sie sich beunruhigt, warum der Posthalter nun alles noch einmal haargenau wissen wollte. Dennoch war ihr klar, dass die Sache aufgeklärt werden musste, sonst würde sie mit ihrer Familie niemals Ruhe finden.
»Vielleicht hofft er ja, dass jemand bei seiner Version der Geschichte ins Straucheln kommt oder Täterwissen preisgibt«, hatte Jean Julie versucht zu beruhigen. Wenig erfolgreich, wie sie zugeben musste.
Wegemakers sortierte raschelnd seine Papiere. »Den stummen Inder brauche ich ja nicht noch einmal zu befragen, denke ich …«
Julie erwiderte nichts. Ihr tat Bogo leid. Er war vor Wochen nach Rozenburg zurückgekehrt, allein. Eines Tages war er plötzlich wieder bei den Indern im Dorf erschienen, und Julie hatte sofort befürchtet, dass wieder etwas geschehen war auf Watervreede. »Ist etwas mit Inika?«, hatte sie ihn besorgt gefragt, Bogo aber hatte nur den Kopf geschüttelt und zwei Finger in der Luftgekreuzt – sein Zeichen dafür, dass alles in Ordnung war. Julie hatte es dabei belassen. Inika war bei ihrer Mutter, und was zwischen dem jungen Paar vorgefallen war, ging sie im Grunde nichts an.
Posthalter Wegemakers Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Dann würde ich jetzt gerne Ihren Sohn sprechen.«
»Mein Sohn ist nach Europa gereist.«
»Nach Europa?« Er sah sie überrascht an. »Und was tut er da? Wann erwarten Sie ihn zurück?« Er rückte sich seine kleine Lesebrille auf der Nase zurecht. »Ich meine, es ist schon sehr ungewöhnlich, dass er gerade jetzt nach Europa reist.«
»Wie meinen Sie das?« Julie musste sich mühen, nicht aufzubrausen, der unterschwellige Vorwurf war ihr nicht entgangen.
»Nun ja, es laufen noch Ermittlungen zu dem Todesfall, der Mörder ist noch nicht gefunden und Ihr Sohn reist Hals über Kopf nach Europa?«
»Er ist nicht Hals über Kopf nach Europa gereist, und er wird ganz sicher wiederkommen!« Julie hielt es nicht mehr auf ihrem Platz. Sie stand auf und wanderte im Salon umher.
»Was hat ihn denn dazu bewogen, diese Reise anzutreten?«
Julie setzte zu einer Antwort an, doch Jean kam ihr zuvor. »Henry sucht Karini Rozenberg. Das Mädchen ist … etwas überstürzt abgereist. Er möchte sie über den aktuellen Stand der Entwicklungen in Kenntnis setzen und sie bitten, wieder mit zurück in die Kolonie zu kommen.«
Julie entging nicht der traurige Blick von Kiri, die soeben Kaffee für den
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