Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Umarmung befreite.
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie uns mit Théo auf dem Weg nach Bologna zu Pferd gefolgt ist.«
»Das erklärt alles. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass ein Pferd hinter uns her galoppierte, als wir gefesselt und geknebelt in dem Wagen lagen.«
Sie schwieg und bekam einen neuen Anfall, krümmte sich, griff sich mit den Händen an den Bauch, als hätte sie Wehen und fing wieder an zu schreien.
»Ach Charles, warum hast du nichts gesagt?«
»Er wusste nichts davon, Dame Alix. Der Duc d’Amboise kam erst zur Geburt des zweiten Kindes dazu. Da hatten die Frau und Théo das andere Kind schon mitgenommen.«
»Aber warum? Warum denn nur?«
»Théo war wie besessen. Ja, anders kann man es nicht nennen – er war besessen. Und ich hatte solche Angst, Euch zu verlieren. Ich wollte unbedingt bei Euch bleiben, Dame Alix. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit Euch nach Frankreich zu kommen. Théo habe ich dafür gehasst. Und seit diesem schrecklichen Tag konnte ich keine einzige Nacht mehr ruhig schlafen.«
Tania vergoss heiße Tränen, und Alix beruhigte sich ein wenig, wirkte aber immer noch sehr verstört, und ihr Blick ging ins Leere.
»Jetzt wisst Ihr endlich alles, Dame Alix.«
»Warum hast du dich mir nicht anvertraut? Wir hätten sofort nach meinem anderen Kind suchen können.«
»Théo hat mir solche Angst gemacht. Seit wir von Euch abhängig waren, hat er mir schreckliche Angst eingejagt. Er war wie ausgewechselt, und hat mich sogar …«
»Was hat er?«
»Ach, nichts.«
»Was hat er gemacht, Kindchen?«, fragte die Bertille und kam näher.
»Er hat mich missbraucht. Er hat mich gezwungen, ihm willig zu sein. Ich konnte ihm nie genug Geld bringen. Dafür hat er sich gerächt, indem er mich vergewaltigt hat.«
»Oh, wie furchtbar!«, entfuhr es Bertille, die nicht mehr wusste, ob sie Tania trösten sollte für die schrecklichen Dinge, die ihr ihr Bruder angetan hatte, oder sie verurteilen sollte, weil sie den Raub des Kindes geheim gehalten hatte.
»Wir finden Valentine wieder!«, versprach Tania, als sie sich ein wenig erholt hatte. »Genauso wie wir ihre Zwillingsschwester finden werden. Mathias sucht nach ihr, und ich bin überzeugt, dass er sie finden wird.«
»Was sagst du da?«
Alix war aufgesprungen, und ihr Blick ging jetzt nicht mehr ins Leere. Sie sah Tania in die Augen und hielt sie am Arm fest.
»Was hast du eben gesagt? Wiederhole das bitte!«
»Ich sagte, dass Mathias sie sucht. Er war deshalb schon einige Male in Paris. Er hat noch keine heiße Spur, aber er gibt die Hoffnung nicht auf.«
»Mathias wusste es also!«
»Ja, ich habe es ihm an dem Tag gesagt, an dem Théo gestorben ist. Er war mir eines Abends gefolgt, als ich meinen Bruder treffen musste, um ihm etwas Geld zu bringen. Sie haben gekämpft, und Mathias war der Unterlegene. Théo hat ihm ein Messer in die Seite gerammt.«
»Das war also der ominöse Zusammenstoß mit den Banditen, die ihn angeblich auf der Straße überfallen haben. Mein Gott! Er wusste alles und wollte mir auch noch helfen!«
Tania wich ihrem Blick aus.
»Erzähl weiter«, forderte Alix sie schroff auf.
»Mathias hat mich gezwungen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Und das habe ich getan. Ich habe alles gesagt. Von dem Tag an verstanden wir uns besser.«
»Was hat er in Paris gemacht? Wohin ist er gegangen?«
»Er war bei der Frau, die ihm verraten sollte, wo das Kind ist.«
Alix taumelte. Bertille und Tania konnten sie gerade noch auffangen und auf ihr Bett legen.
»Meine beiden Töchter! Meine Mädchen!«, murmelte sie vor sich hin. »Jetzt habe ich keines mehr. Wo sind sie nur? Kann ich denn nicht wenigstens eine wiederfinden?«
»Bestimmt finden wir Valentine wieder«, rief Tania.
»Nein!«, schrie Alix zornig, »ich will sie beide zurückhaben!«
»Scht, scht, beruhige dich«, machte Bertille und legte ihr einen kalten Wickel auf die Stirn. »Mathias kommt bestimmt bald zurück und erzählt dir alles.«
Die arme Seele wusste wirklich nicht mehr, was sie denken sollte. Dieses Durcheinander war einfach zu viel für sie. Und wie sollte es nun weitergehen? Sie machte ein Kreuz und betete zur Muttergottes.
»Dann hat also diese Frau, diese junge Pariserin, bei der Mathias ein paarmal war, das Kind gestohlen?«, sagte sie leise.
Alix war wieder aufgestanden und sah Bertille zu, die ratlos im Zimmer auf und ab lief.
»Das kann doch nicht sein«, murmelte sie. »Es kann doch nicht
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