Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
sein, dass ein solches Monstrum an Abartigkeit und Grausamkeit zärtliche Gefühle für Mathias hegt, wie er mir gegenüber behauptet hat.«
»Nein, bestimmt nicht, Dame Alix«, versuchte Tania sie zu beruhigen. »Béraude ist unfähig zu lieben. Mathias wollte sie nur dazu bringen, ihm zu sagen, was sie wusste.«
»Du sagtest aber doch, dass er keine heiße Spur hatte. Warum hat er sie dann so oft aufgesucht?«
»Es dauerte lange, bis er sie überhaupt gefunden hatte, weil Théo ihren Aufenthaltsort nicht verraten hatte.«
Bertille schneuzte sich, erholte sich ein wenig von den schrecklichen Aufregungen und beschloss, einen Beruhigungstee für Alix zu kochen.
Kaum waren Mathias und die anderen zurück, als Nicolas’ Verschwinden festgestellt wurde.
»Oh Gott, der arme Kleine hat sich auf den Weg gemacht und will Valentine selber suchen«, jammerte Bertille. »Ihr müsst sofort wieder los. Ich hole Euch Fackeln.«
Alix hatte gehört, dass die Männer zurück waren und nahm sich nicht einmal die Zeit, den Kräutertee zu trinken, den ihr Bertille gebracht hatte. Sie lief Mathias entgegen, der sie in die Arme nahm.
»Mathias! Warum hast du mir nur nichts gesagt?«
Alix schmiegte sich an ihn, und er hielt sie fest.
»Oh, Mathias! Wenn du nur früher mit mir geredet hättest!«, schluchzte sie und spürte seine starken, warmen Hände auf ihrem Rücken.
»Davon wären Valentines unverständliche Zustände auch nicht vergangen. Und ich wollte dir keine falschen Hoffnungen machen. Schließlich hatte ich keinerlei Beweise.«
»Aber wir beide hätten doch gemeinsam suchen können.«
Er ließ sie vorsichtig los.
»Das kannst du nicht verstehen, Alix. Es ist alles viel komplizierter, als du dir vorstellst.«
»Aber warum hast du allein nach dem Kind gesucht? Zu zweit wären wir viel schneller ans Ziel gelangt.«
»Ich wollte dir das Kind bringen, damit du mich endlich liebst.«
Alix schwieg betroffen. Dann sprang sie auf und lief Mathias nach. Bertille gab ihm zwei Fackeln, und Léo kam mit zwei flackernden Laternen angerannt. Philippe, Landry und Pierrot standen ebenfalls mit ihren Fackeln bereit.
Arnold hatte sich schon mit seinem Sohn Guillemin auf den Weg gemacht. Die beiden hatten Fougasse und Amandine genommen, die zwei alten Mulis, die noch gute Dienste taten.
»Komm, Alix«, sagte Mathias und nahm sie an der Hand. »Lass uns keine Zeit verlieren. Wir müssen Nicolas suchen.«
»Wo kann er denn nur sein?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber vielleicht haben wir Glück und finden die beiden Kinder zusammen.«
Glücklicherweise schien in der Nacht der Mond und tauchte die Landschaft in fahles Licht. Wie schon am Morgen teilten sie sich in zwei Gruppen.
»Müssen wir wirklich am Fluss suchen?«, fragte Alix ängstlich. Ihr graute bei der Vorstellung, Nicolas oder Valentine könnten ins Wasser gefallen sein, weil sie vielleicht ihr Spiegelbild für den jeweils anderen gehalten hatten.
Alix und Mathias ritten Hector, den Araberhengst, Philippe und Tania Césarine.
Die anderen waren in die entgegengesetzte Richtung aufgebrochen und bald der Polizeipatrouille begegnet, die ebenfalls hoch zu Ross und mit Fackeln ausgerüstet nach den verschwundenen Kindern suchte.
Einige Stunden trotteten die Pferde nur, weil Alix und Tania immer wieder absaßen, um vielversprechende Stellen zu Fuß genauer zu untersuchen. Doch jedes Mal mussten sie enttäuscht wieder aufsitzen.
Alix kämpfte mit den Tränen, und lehnte sich an Mathias’ Rücken. Hin und wieder nickte sie sogar vor Erschöpfung kurz ein.
»Lasst uns hier entlangreiten«, meinte Tania und deutete auf eine mondbeschienene Stelle.
»Ist da eine Lichtung?«
»Nein«, erwiderte Philippe. »Das bringt nichts, es ist viel zu dunkel. Besser, wir kommen bei Sonnenaufgang noch mal hierher.«
Aber Mathias leuchtete schon mit seiner Fackel in die Richtung, die Tania angezeigt hatte. Er kannte seinen Sohn. Nicolas war wie er, er war gern allein, mochte es ruhig und still. Er konnte sich gut vorstellen, dass sich sein Junge hier ein wenig ausgeruht hatte.
»Wir versuchen es trotzdem!«, entschied Mathias.
»Ja, lasst uns hier suchen«, meinte auch Alix und sprang vom Pferd.
»Hier ist nichts«, sagte Philippe, »nur Äste, Laubhaufen und …«
»Und die wollen wir genauer untersuchen«, schnitt ihm Mathias das Wort ab.
»Da! Ich habe etwas gesehen!«, rief Tania plötzlich und sprang ebenfalls vom Pferd.
Sie lief zu einem Haufen von Ästen und Zweigen und
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