Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
vergnügt wie ihre Tochter den Faden weiterspann:
»Mathilde hat uns alle verführt. Sie weiß jetzt schon ganz genau, wie sie uns um den kleinen Finger wickeln kann. Und ich bin mir sicher, sie wird diese Kunst noch vervollkommnen.«
Gleich schenkte Alix ihre ganze Aufmerksamkeit wieder ihrem Töchterchen und erwiderte ihre Zärtlichkeiten ausgiebig, während sich Marguerite mit Mathias unterhielt. Sie war sehr begierig darauf, den ansehnlichen Weber mit seinen blauen Augen und flammend roten Haaren kennenzulernen.
Die Stimmung war ausgezeichnet, und alles drehte sich um die Hauptperson Mathilde.
»Meiner Meinung nach sollten wir keine Untersuchung und keinen Prozess anstrengen, und Ihr solltet auch keine Klage erheben, Alix.«
»Aber warum denn nicht, Louise?«
»Weil dieses Kind keinen Skandal im Gepäck haben soll, wenn es hin und wieder am Hof erscheint. Das wäre eine Last für Mathilde und für die Höflinge inakzeptabel. Wir erheben Euch in den Adelsstand, Alix; das bin ich Euch für die vielen
Dienste, die Ihr der Familie des französischen Thronfolgers erwiesen habt, mehr als schuldig. Und dann wird Mathilde ganz offiziell Tochter der Webermeisterin Alix de Cassex aus Tours.«
Wie viele reiche und mächtige Weberfamilien hatte der französische Hof bereits geadelt für die Dienste, die sie dem Königreich erwiesen hatten? Der Vater von Alix’ verstorbenem Gatten Jacquou, Maître de Coëtivy, war der beste Beweis dafür. Ludwig XI. hatte seinen Großvater in den Adelsstand erhoben. Außerdem war Alix nicht unvermögend, Alessandro hatte ihr Besitztümer in Tours, Brügge und Florenz hinterlassen, wichtige Bedingung für einen gesellschaftlichen Aufstieg.
Hin- und hergerissen zwischen ihrer Freude und dem Ärger darüber, Béraude nicht so bestrafen zu können, wie sie es verdient hätte, sah sich Alix nach Mathias um, der ihr mit einem Kopfnicken bedeutete, dass sie einwilligen sollte. Mit einem Seufzer sagte sie sich, dass für sie entscheidend war, ihre Tochter gefunden zu haben – alles andere kam ihr daneben unwichtig vor.
Was hätte sie auch sonst tun sollen? An das vollkommene Glück glaubte sie ohnehin nicht.
Alix konnte ihren Blick gar nicht von Mathilde losreißen und hatte schon angefangen, nach winzigen Unterschieden zwischen ihren Töchtern zu suchen. Doch in dem ganzen Durcheinander bei Tisch konnte sie sich nicht richtig konzentrieren und verschob ihre Suche auf später. Ein Gericht nach dem anderen wurde aufgetragen, Wein eingeschenkt, der Wasserkrug herumgereicht, und der Majordomus erteilte lautstark Anweisungen. Damals konnte sie auch noch nicht wissen, dass Nicolas als Einziger die vielen kleinen Unterschiede zwischen Valentine und Mathilde entdecken würde und diese mit der Zeit immer mehr werden sollten.
Und während ihr das Kind einen dicken Kuss auf die Wange drückte, hörte Alix, wie Marguerite Mathias versprach, in ihre Werkstätten zu kommen und sich alle Wandteppiche im Kontor anzuschauen, ehe sie in die Normandie zurückreiste.
Doch in diesem Augenblick interessierte sich Alix weder für die Teppiche in ihrer Werkstatt noch für die auf den Webstühlen, und auch kaum dafür, ob sie in Zukunft Cassex oder de Cassex heißen würde. Das Einzige, was jetzt zählte, war die kleine Mathilde, die sie gerade kennen lernte.
Mit einem Ohr hörte sie den Gesprächen allerdings doch zu und wunderte sich, wie viele Pläne für ihre Tochter geschmiedet wurden. Sollte sie der Gedanke beunruhigen, dass man sie ihr wegnehmen und ein königliches Hoffräulein aus ihr machen wollte? Bei der Vorstellung musste sie doch lächeln. Wie viele edle Damen träumten vergeblich davon, ihre Töchter dazu auserwählt zu sehen, an der Seite der Gattin, der Schwestern oder der Töchter des Königs aufzuwachsen!
Sie dachte an Valentine. Jetzt konnte sie sie wirklich ihre Kleine nennen. Alix konnte es kaum erwarten, bis Valentine an der Seite von Nicolas das Weberhandwerk erlernen würde. Ja, genau so sollte es sein! Valentine würde eine hervorragende Weberin werden, Mathilde würde es eines Tages freistehen, ob sie weiter am Hofe bleiben wollte.
Doch jetzt drückte sich Mathilde ganz fest an ihre Mutter, schnupperte ihren Geruch, beobachtete ihre Bewegungen, lauschte ihrem Atem und fand es einfach wunderbar, dass diese hübsche junge Frau ihre Mutter war.
Alix versuchte sich einzureden, dass ihr Kind bei Marguerite in den besten Händen war, auch wenn sie manchmal der Wunsch überkam,
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