Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
und der alte Louis XII. kam bei der Vorstellung, dass eine junge Gattin seine steifen Glieder vielleicht noch einmal zu neuem Leben erwecken könnte, geradezu in Stimmung.
Und so erlebte das brave Volk die wundersame Verwandlung des alten Königs – es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre so jugendlich wie früher geworden. Mit seinen vierundfünfzig Jahren hielt er sich auf einmal wieder aufrecht und sein eingefallenes Gesicht wurde wieder voller.
Er war immer noch groß und schlank, und in seinen Augen blitzte ein Leben lang der Schalk. Doch während der König guter Dinge auf seine junge, hübsche Verlobte wartete, musste er doch seine Schmerzen und Schwächen hinter gezwungenem Lächeln und höflichen Floskeln verbergen.
Schließlich wurde er so ungeduldig wie ein Zwanzigjähriger. Weil er seit dem Tod der Königin keinen Schneider, keinen Barbier und keinen Parfumeur mehr vorgelassen hatte, machten ihn seine Berater diskret darauf aufmerksam, dass seine äußere Erscheinung zu wünschen übrig ließ.
Daraufhin musterte sich der König ausgiebig und kritisch in dem großen Spiegel in seinem Zimmer und ließ sich die Haare schneiden. Er bestellte neue Jacken aus italienischem Tuch, holte seine Ringe und Ketten wieder hervor und ließ jeden Morgen seinen Barbier kommen.
Zum Entsetzen von Marguerite und Louise verlangte er sogar nach seinem Astrologen, weil er wissen wollte, ob er nun endlich den lang ersehnten Thronerben bekommen würde. François machte sich darüber wenig Gedanken, konnte es stattdessen jedoch kaum erwarten, endlich die schöne Engländerin zu sehen, von der ganz Europa schwärmte.
Während Louise also wieder von Ängsten heimgesucht wurde, die sie nur wenig und schlecht schlafen ließen, zappelte unser junger Comte d’Angoulême vor Ungeduld: Von Mary of York hieß es nämlich, sie habe die schönsten porzellanblauen Augen und eine Taille wie ein Schilfrohr.
Und das Porträt von Mary, das man Louis XII. geschickt hatte, weckte erst recht die Lebensgeister des alten Königs. Ihr Mund war herzförmig, und sie hatte das bezauberndste Lächeln von ganz England.
Wie hätte François für all die verlockenden Gerüchte unempfänglich bleiben sollen? Umso mehr, als ihn der König beauftragt hatte, die Prinzessin abzuholen, die mit großem Pomp in Boulogne an Land gehen sollte.
Zu diesem Zweck hatte sich François sowohl mit seinem Titel Duc de Valois als auch mit seinem schönsten Wams herausgeputzt und wollte sich für den prächtigen Empfang nicht lumpen lassen. Nur zu verständlich, dass Ludwig XII. ihm in diesem besonderen Fall freie Hand ließ, was die Kosten betraf.
Standarten mit dem Stachelschwein im Wappen wurden geschwenkt, und mehr als tausend Hellebardiere standen zu Ehren des englischen Hofes im Hafen von Boulogne Spalier. Zur Begrüßung spielten Trompeten und Oboen; mit Lilienmuster verzierte Teppiche waren ausgerollt, und man hatte Rosenblüten gestreut, über die die Prinzessin gleich schreiten würde.
Verständlich auch, dass Louise verlangte hatte, an der Begrüßungszeremonie teilzunehmen. Wer sonst hätte der übertriebenen Galanterie ihres Sohnes Einhalt gebieten sollen, die der mit Sicherheit vor so viel verführerischer Schönheit entfalten würde?
Die junge Herzogin von Alençon trug ein goldgesäumtes Kleid aus Seidenbrokat – seit einigen Jahren bereits kleidete sich Marguerite am Hof von Blois wie eine Prinzessin – und stellte mit ihrer Erscheinung die arme kleine französische Königin so in den Schatten, dass Mary of York sie später zunächst irrtümlich für die Gemahlin des Königs hielt.
»Ihr solltet wenigstens Eure Perlen anlegen, mein Kind«, hatte Louise bei Claudes tristem Anblick noch vorgeschlagen, »damit sie für Euch glänzen.«
»Ich bin aber müde«, hatte die junge Königin geantwortet.
»Solche Menschenaufläufe mag ich nicht, und die Schwangerschaft strengt mich sehr an.«
Louise hatte einen prüfenden Blick auf Claudes Bauch geworfen und dann freundlich, ja fast herzlich gemeint: »Macht Euch keine Sorgen, man sieht Euch noch gar nicht an, dass Ihr schwanger seid.«
In Wirklichkeit fiel der beginnende Bauch nicht sehr auf, weil die junge Königin ohnehin etwas korpulent wurde.
»Denkt einfach an François, mein kleines Mädchen, er ist so glücklich, dass er bald Vater wird.«
Beim Gedanken an das Glück, das sie ihrem Gatten bereitete, lächelte Claude unwillkürlich. Sie schenkte ihm ein Kind, vielleicht sogar einen Sohn.
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