Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
zögerte, warf sie François kurz entschlossen ihr Fähnchen mit dem bretonischen Hermelin zu. Im gleichen Moment fiel Marys Schleier vor ihm auf den Boden. Aber der junge Duc de Valois war viel zu gut erzogen, als dass er seine Frau beleidigt und ihr Wappen verweigert hätte.
Suffolk erhob Anspruch auf Marys Schleier und spießte ihn auf seine Schwertspitze. François bückte sich elegant und spießte Claudes Fähnchen auf.
Beide Männer zogen ihr Wams aus, gingen in Stellung und kreuzten erst einmal wortlos die Klingen.
Der junge englische Herzog war ein ausgezeichneter Fechter. Aufs Angreifen verstand er sich ebenso gut wie aufs Verteidigen. Er beherrschte jeden Hieb und wich jedem noch so listigen Angriff aus. Die beiden Gegner griffen an und zogen sich zurück, gingen in die Knie und lieferten sich unter den anfeuernden Rufen der Damen einen erbitterten Kampf, den François schließlich verlor. Mit einer Streifwunde an der linken Hüfte musste er sich geschlagen geben. Verärgert über diese Niederlage schlug er einen Wettkampf im Bogenschießen vor; in dieser Disziplin hatte ihn noch keiner besiegt. Hier konnte er Mary beweisen, dass er Herr über Pfeil und Bogen war und gewann gegen die geschicktesten Schützen.
Eingezwängt zwischen dem alten König, der sie verliebt anlächelte, und dem jungen Suffolk, der den Erfolg seines Schützlings bei den anwesenden Männern nicht sonderlich zu schätzen schien, warf Mary François eindeutige Blicke zu, ohne dabei jedoch die jungen Herzöge de Bourbon und d’Alençon aus den Augen zu verlieren.
An diesem Tag schenkte Louise ihrem jungen Liebhaber, dem Duc de Bourbon, keinerlei Beachtung, weil ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem Sohn galt. Und die arme Königin Claude setzte verzweifelt auf ihren Mann, der sie nicht eines Blickes würdigte.
Hin- und hergerissen zwischen Vergnügungssucht und Neugier gab das Publikum nur einige kurze Kommentare ab, wie zum
Beispiel: »Mal sehn, ob der König das schöne Luder zähmen kann?«
»Schaut nicht so aus, als ob er’s überhaupt versucht.«
Woraufhin die Optimisten meinten:
»Er ist ein alter Genießer und hebt sich seine Trümpfe bis zum Schluss auf.«
Die Zweifler äußerten ihre Befürchtungen:
»Jetzt sollte man wissen, wer den neuen Thronerben von Frankreich macht!«
Und die schamlosesten Spötter meinten:
»Egal wer sie kriegt, der Schwanz von unserem François zappelt jedenfalls schon ganz munter!«
So wurde fröhlich drauflos gescherzt, und man lachte sich ins Fäustchen, sodass Louise schließlich beinahe erleichtert beobachtete, wie der gute König von Frankreich nach dem Fest mit seiner jungen Gattin im Brautgemach verschwand. Hatte man die Wahl zwischen zwei Übeln, war es immer noch besser, der alte König machte Mary ein Kind, als dass sich eines Tages ein Bastard ihres Sohnes auf den Thron setzte.
In diesem Augenblick schwor sich die Comtesse d’Angoulême dafür zu sorgen, dass ihr François nicht wieder in die Nähe der neuen Königin kam.
Nach dem Ende der Feierlichkeiten gingen die englischen Edelleute, Höflinge und Räte – mit Ausnahme von Suffolk, der zum Botschafter ernannt worden war – wieder an Bord ihrer Schiffe, die in Boulogne auf sie warteten, und reisten zufrieden über den Verlauf dieser ausnehmend schönen Hochzeit nach England zurück.
Am nächsten Morgen versuchte der gesamte Hofstaat, der die
Nacht durchgefeiert hatte, aus den Mienen der Neuvermählten herauszulesen, ob sie einen kleinen Dauphin gemacht hatten.
Mary wirkte frisch und munter, aber merkte man jemandem in ihrem Alter die Müdigkeit nach einer schlaflosen Nacht an? Der König hingegen machte einen ziemlich erschöpften Eindruck und hatte dunkle Ringe unter den Augen, die seine Parfumeure trotz größter Anstrengungen nicht wegbekamen.
Zu seinen Beratern meinte der König dann aber sichtlich zufrieden und etwas anzüglich, er hätte ›Wunder vollbracht‹. Daraufhin wurde gemunkelt, dass die Glut zwar irgendwann erlöschen würde, in Marys Bauch dennoch der Keim für den sehnsüchtig erwarteten Thronfolger wachsen könnte.
Stümper nahmen das Ereignis zum Anlass für ziemlich unanständige Reime, und ihre Worte amüsierten all die Leute, die stets auf neue Vergnügungen und zweideutige Anspielungen aus waren. Spottlieder über die verrückten Heldentaten des alten Königs und Marys dicken Bauch kursierten in ganz Paris.
Doch allen zotigen und grimmigen Spottreden zum Trotz verlangte der alte König nur
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