Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Gatte und stolzer Vater in vollen Zügen und erinnerte sich wieder, wie gern er als junger Mann gereist war. Deshalb beschloss er, sich auf den Weg nach Paris zu machen, zum einen, um dort nach den Scènes galantes zu suchen, zum anderen, um die kleinen Teppichmanufakturen zu besuchen, die sich im Viertel um den Boulevard Saint-Marcel niederließen und nach und nach die alten Werkstätten am Boulevard Saint-Jacques ablösten.
22.
Die Hochzeit von François d’Angoulême und Prinzessin Claude de France fand also in aller Stille statt, während die Franzosen so taten, als betrauerten sie eine Königin, die sie zu Lebzeiten viel kritisiert hatten.
Ja, an diesem Tag heiratete die Duchesse de Bretagne den begehrtesten Junggesellen von ganz Frankreich.
Ihre kleine Schwester Renée, die erst vier Jahre alt war, wurde der Obhut der Comtesse d’Angoulême übergeben, denn obwohl es noch nicht lange her war, dass sich Anne und Louise voller Hass begegnet waren, konnte die eine die andere nun nicht mehr bekämpfen.
Ludwig XII. bot ein Bild der Verzweiflung und ertrug diesen für ihn traurigen Tag wie unter einem Zwang, den ihm der französische Hof auferlegt hatte und dem er sich nicht entziehen konnte.
Hin- und hergerissen zwischen Freude und Trauer schien Claude den wenigen Hochzeitsgästen sehr angespannt, auch wenn sie es zu kaschieren versuchte. Hätte es sich nicht um ihre eigene Hochzeit gehandelt, bei der Frankreich sie mit dem Mann vereinte, den sie liebte, hätte sie vermutlich stundenlang um ihre Mutter geweint.
Claude war fünfzehn und von kleiner Statur, hatte aber schon
frauliche Formen. Wegen eines Hüftleidens hinkte sie ein wenig. Sanftmütig und kultiviert wie sie war, besaß sie aber Charme und eine angeborene Anmut, die mehr zählte als Schönheit, und ihre Entourage schätzte sie wegen ihrer klugen Art und ihres angenehmen Wesens.
François strotzte nur so vor jugendlichem Übermut. Er war groß und kräftig, und seine Schultern waren so breit, dass später einmal niemand seine Rüstung tragen konnte; außerdem sah er gut aus und beherrschte die höflichen Manieren, kurzum – er war der Liebling aller Frauen, und das wusste er auch.
An seinem Hochzeitstag hatte er ein Recht auf die kühnsten Hoffnungen, ohne dass der Hof Einwände geäußert hätte. Doch der junge Duc de Valois und Comte d’Angoulême besaß Erziehung genug, um sich zu gedulden, bis die Zeit für ihn gekommen war, den Thron von Frankreich zu besteigen.
Er wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis ihm die Krone von Amts wegen überreicht wurde und kostete die Pause, die ihm bis dahin vergönnt war – im Rahmen des Erlaubten –, mit seinen vier Freunden aus, auch wenn er bereits einen königlichen Lebensstil führte.
Nachdem ihm Ludwig XII. den Zugriff auf das Reichsvermögen gestattet hatte, knauserte François nicht mehr bei seinen Ausgaben. Abgesehen vom Unterhalt einer Garnison mit über zweihundert Offizieren und seiner Leibgarde aus Hellebardieren und hervorragenden Schützen brauchte er vor allem für seine Garderobe und für seine Vergnügungen viel Geld, während sich der König in seinem Zimmer verkroch.
Dessen Lebensumstände sollten sich allerdings sehr bald ändern und die unverhoffte Wandlung mehr als einen vor den Kopf stoßen.
Hätte irgendjemand diesen Wandel voraussagen können, der nicht nur Blois, sondern allen europäischen Königshöfen den Atem verschlug und die Familie d’Angoulême zutiefst bestürzte?
Die Hauptstadt der Sologne, wohin sich Louise zurückgezogen hatte, nachdem sie die Neuigkeit erfahren hatte, war in hellem Aufruhr.
Der untröstliche Witwer war drauf und dran, sich noch einmal mit einer hübschen Sechzehnjährigen zu verheiraten, die jungfräulich wie eine Rosenknospe und lebenslustig wie eine Schwalbe war. Es handelte sich um die jüngere Schwester des Königs von England.
Mary of York, die jüngere Schwester von Heinrich VIII., war hübsch und wohlgestalt und sollte mit ihrer sinnlichen Anmut und ihrem Lebenshunger den armen alten Sire de France sehr schnell auf andere Gedanken bringen.
Louise hatte sich derweil in der Sologne vergraben und sinnierte über die schrecklichen Folgen, die diese verhängnisvolle Heirat nach sich ziehen könnte. Wie vor ihr Anne de Bretagne wurde Mary of York nun ihre neue Erzrivalin.
Obwohl sie noch kein Franzose zu Gesicht bekommen hatte, war das Gerücht von ihrer außerordentlichen Schönheit bereits über den Ärmelkanal gedrungen,
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