Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Das war der einzige Anlass, der sie von ihrer Schwermut befreien konnte, die sie nur sehr selten verließ.
»So ist es gut!«, rief Louise beinahe zärtlich. »Wenn Ihr lächelt, verklärt sich Euer Gesicht. So will ich Euch sehen, wenn Ihr Mary of York gegenübertretet!«
Sie beugte sich zu ihrer Schwiegertochter und zupfte ihr eine Locke ins Gesicht.
»Ihr dürft nie vergessen, Claude, dass Ihr neben meinem Sohn und meiner Tochter Frankreich repräsentiert.«
Was seine Garderobe betraf, brauchte François wirklich keinen Berater. Er hatte sich für ein scharlachrotes, mit silbernen Blumen besticktes Wams zu weißen Hosen entschieden; passend dazu trug er einen Hut mit einer roten Pfauenfeder.
Louise war fest entschlossen, ihren Sohn nicht aus den Augen zu lassen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er bestimmt bald in die Falle gehen würde, die ihm die äußerst ärgerlichen neuen Lebensumstände stellten.
Marguerite riet sie, ihren Bruder genauestens zu beobachten,
und bestellte zusätzlich noch eine ganze Truppe von Aufpassern, die unter irgendeinem Vorwand auf Mary und François aufpassen und ihr jedes vertrauliche Detail berichten sollten, das ihr sonst vielleicht entgangen wäre.
Neben François, der vor Freude sein Pferd unter den staunenden Blicken des Publikums tänzeln ließ, erwarteten Charles d’Alençon, Charles de Bourbon und der Duc de Vendôme in silbern paspelierten gelben Jacken den englischen Hofstaat.
Und auch François’ Freunde, die jungen Herren Chabot, La Marck, Montmorency und Bonnivet ritten über einen Teppich aus frischen Blumen, die man gestreut hatte, um den zarten Füßen der englischen Prinzessin die ersten Schritte auf französischem Boden zu versüßen.
Die alten Gefährten von Ludwig XII., oder zumindest jene, die nicht in Italien in der Schlacht gefallen waren, also die Ritter Bayard, Genouillac und La Trémoille, warteten hoch zu Ross auf die Ankunft der englischen Gäste.
Die Herolde bliesen ihre Trompeten, und die Schweizer Garde bildete zusammen mit der französischen und den Hellebardieren ein Spalier, durch das nicht einmal eine Maus hätte schlüpfen können.
Im Schutz eines blausilbernen Samtbaldachins beobachtete die Familie d’Angoulême das Anlegemanöver der englischen Flotte im Hafen von Boulogne.
Die englischen Standarten wehten am Himmel, als Mary of York an Land ging, begleitet von dem jungen Herzog Suffolk, der den Auftrag hatte, die Prinzessin zu ihrem königlichen Verlobten zu geleiten.
Sie hatte kaum ihren hübschen Fuss auf französischen Boden gesetzt, als François auch schon wie verhext war. Nie zuvor hatte
er eine so schöne Frau gesehen. Ihre Haut war zart wie ein Pfirsich, ihre blonden Haare seidenweich, und der Blick ihrer himmelblauen Augen traf ihn wie ein Blitz.
Der Duc d’Angoulême war sofort zutiefst beeindruckt und dachte gar nicht daran, dass dieses strahlende Geschöpf nicht für ihn bestimmt war. Er war überwältigt und hatte nur den Wunsch, ihre kleine Hand zu nehmen, die aber gerade Sir Suffolk halten durfte.
Marguerite warf ihrer Mutter einen besorgten Blick zu. Wie oft hatten sie François schon so verliebt gesehen? Beide blickten in den Abgrund, in den er stürzen konnte, weil beiden bewusst war, dass er vielleicht alles – Vermögen, Stellung und Zukunft – für ein einziges Lächeln seiner schönen Stiefmutter aufs Spiel setzen würde.
Natürlich musste die Comtesse d’Angoulême befürchten, dass dieses junge Ding Louis XII. neuen Auftrieb geben könnte. Musste sie aber – was noch viel schlimmer wäre – auch noch befürchten, dass ihr Sohn dem Charme der jungen Engländerin erliegen könnte? Auch wenn es dem alten König vielleicht nicht mehr gelingen würde sich fortzupflanzen, ihrer beider frisches Blut könnte sehr schnell den lange ersehnten Thronerben bringen. Und dann bliebe François nur noch, seiner verlorenen Krone nachzutrauern.
Louise seufzte leise. Nahm der Alptraum denn nie ein Ende? Warum hatte sie nach dem Hinscheiden von Anne nicht bedacht, dass Gefahr durch den Leichtsinn ihres eigenen Sohnes drohte, der allzu gern Galanterie mit Liebe verwechselte?
Auch Claude beobachtete ihren Mann besorgt, aber aus anderen Gründen. Diese Prinzessin, die etwa ihr Alter haben musste und wie eine hübsche Porzellanpuppe aussah, machte
ihr Angst. Warum nur erkannte François nicht den Unterschied zwischen der strahlenden Liebe, die sie ihm schenkte, und dem faden Schein, den ihm die andere
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